berliner szenen Ostern fällt aus

Rechte gekauft

So etwas war zu erwarten. Wochenlang tat G. geheimnisvoll, stöberte in Bibliotheken, der Schreibtisch verschwand unter Gesetzeswerken, seine Anwälte blieben regelmäßig zum Abendbrot. Dann der Donnerschlag: „Ostern fällt dieses Jahr aus! Ich habe die Verwertungsrechte an dem Film von diesem amerikanischen Komiker erworben: Die Passion Christi. Wer in der Karwoche und zu Ostern in der Kirche oder sonst wo etwas über die Story verlautbaren oder gar Teile aufführen lässt, muss mit empfindlichen Schadensersatzforderungen rechnen.“

„Aber das sind doch jahrtausendealte Traditionen, Grundlagen unseres Glaubens.“ – „Mag sein, rechtlich hat sich das jedenfalls nirgends in irgendwelchen Urheberrechten niedergeschlagen. Auch die Bibel wird in den nächsten Wochen nur mit entsprechend geschwärzten Passagen verkauft werden. Grundrecht auf Glaubensfreiheit? Der Mensch hat ein Recht auf spannende Unterhaltung und dazu gehört eben auch, nicht allenthalben das Ende der Geschichte erzählt zu bekommen. Dieses Recht wird gerade von unseren Kirchen mit Füßen getreten. Aber“, schloss G. versöhnlich, „ich will als alter Pastorensohn mal nicht so sein: Wenn die Mehrheit der Deutschen bis zum Sonntag den Film gesehen oder schriftlich kundgetan hat, dies nicht vorzuhaben, werde ich von Klagen absehen.“ „Ein fairer Deal“, räumte ich ein. G. nickt zufrieden: „Das Geschäft mit alten Geschichten hat Zukunft. Demnächst kommt der Kampf um Troja ins Kino. Wenn nicht noch ein Homer-Nachfahre auftaucht, kassiere ich dafür genauso wie für die deutsche Vergangenheit bis 1945: Auch hier wird in Zukunft so einiges aus den Geschichtsbüchern verschwinden müssen.“ CARSTEN WÜRMANN