Realitäten anerkennen statt Zukunft gestalten

Beim Gipfeltreffen in Scharm al-Scheich dürfen die arabischen Alliierten der USA Präsident Bushs Forderungen abnicken

Bush wird seine Alliierten auffordern, die US-Besatzung im Irak zu legitimieren

KAIRO taz ■ Ein offener Austausch über die Zukunft des Nahen Ostens steht auf dem Programm, heißt es offiziell zum heutigen amerikanisch-arabischen Gipfeltreffen im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich. In Wirklichkeit geht es bei der Zusammenkunft zwischen US-Präsident George Bush mit den Staatschefs Ägyptens, Jordaniens, Bahrains und mit dem saudischen Kronprinz Abdullah aber wohl nicht so sehr um Verhandlungen oder Austausch. Bush wird vielmehr Forderungen an die mit Washington alliierten arabischen Regierungen stellen, und die arabischen Staatschefs sind nach dem Irakkrieg kaum strategisch in der Lage, sich diesen offen zu widersetzen.

Zwei Tagesordnungspunkte sind anberaumt. Washington wird arabische Unterstützung für seinen als „Roadmap“ bezeichneten neuen Friedensplan in Sachen Israelis und Palästinenser einklagen. Daneben wird Bush von seinen Alliierten verlangen, die US-Besatzung im Irak zu legitimieren. In der Frage des neuen US-Friedensplanes, der morgen auch in einem direkten Gespräch zwischen Bush, Israels Premierminister Ariel Scharon und seinem palästinensischen Amtskollegen Abu Masen im jordanischen Akaba besprochen wird, geben sich die arabischen Nachbarn bisher wenig überzeugt. Die eigentlichen Probleme, wie israelische Siedlungen, das Rückkehrrecht der Flüchtlinge und der Status Jerusalems, werden in altbewährter Manier zunächst aufgeschoben.

„Das Ganze gibt den Palästinensern wieder einmal keinen Einblick in ihre politische Zukunft, während sie gleichzeitig ihren Widerstand aufgeben sollen“, fasst Muhammad Sayyed Said vom Al-Ahram-Zentrum für Strategische Studien in Kairo das wenig hoffnungsvolle arabische Gefühl zusammen. Das Ganze, meint er, sei derzeit nicht viel mehr als ein Entflechtungsabkommen. Er fürchtet, dass Bush in Scharm al-Scheich von den Arabern eine Art Vorschuss verlangt, bevor der Prozess überhaupt angefangen hat.

Dabei wird von den arabischen Staaten erwartet, ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren. „Je mehr die Araber tun, umso einfacher wird es für Scharon sein, die Roadmap intern durchzusetzen, wird das amerikanische Argument lauten“, glaubt Mouin Rabbani, Mitarbeiter des politischen Forschungsinstitutes „International Crisis Group“ in der jordanischen Hauptstadt Amman.

Denkbar ist, dass Bush mindestens von Ägypten und Jordanien verlangen könnte, wieder ihre Botschafter nach Israel zu entsenden. Die Botschafter beider Staaten, die als einzige arabische Länder offizielle diplomatische Beziehungen mit Israel unterhalten, waren zu Beginn der palästinensischen Intifada vor über zwei Jahren zurückgerufen worden. In der Frage Irak wird Bush von den arabischen Teilnehmern fordern, die geschaffenen Tatsachen anzuerkennen. „Die USA haben jetzt ein Besatzungsmandat durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates, ob die Araber das mögen oder nicht“, sagt Rabbani.

Bisher wird aus den arabischen Hauptstädten aber immer noch ein schnelles Ende dieser Besatzung gefordert. „Bush wird einfach verlangen, die neuen Realitäten anzuerkennen, wobei er zumindest öffentlich wahrscheinlich selbst von seinen arabischen Alliierten keinen Zuspruch für die Besatzung erhalten wird“, prophezeit Rabbani. Wahrscheinlich sei vielmehr, dass die arabischen Staaten sich nicht mehr öffentlich gegen die Besatzung aussprechen und diese dadurch indirekt legitimieren.

Für Washington wäre es auch ein politischer Sieg, könnte es die arabischen Teilnehmer dazu bringen, am Wiederaufbau des Irak teilzunehmen. Hinter den Kulissen ist bereits die Rede von saudischen Hilfsgeldern und jordanischen Ausbildungsprogrammen für irakisches Militär und Polizei. Insgesamt, sagt der ägyptische Strategieforscher Said, geht es bei dem amerikanisch-arabischen Treffen weniger darum, die Araber zu fragen, wie sie sich die Zukunft der Region vorstellen, als die arabischen Regierungen für die US-Version in die Pflicht zu nehmen. US-Präsident Bush, glaubt er, „wird in Scharm al-Scheich einfach nur seine Instruktionen ausgeben“.

KARIM EL-GAWHARY