Mindestens 21 Tote bei Bahnunfall

In Spanien häufen sich die Unfälle. Gewerkschaft beklagt Verrottung des Schienennetzes

MADRID taz ■ Die Lokführer hatten keine Chance. Die Signale auf der einspurigen Strecke zeigten auf der Höhe des 3.000-Seelen-Dorfes Chinchilla sowohl für den Personenzug Talgo, der von Madrid ins südostspanische Cartagena unterwegs war, als auch für den entgegenkommenden Güterzug freie Fahrt an. Der Zusammenstoß am Dienstagabend war unausweichlich.

Die Containerwaggons wurden regelrecht durch die Luft gewirbelt und zertrümmerten mehrere Wagen des Talgo. Elf Menschen wurden bereits tot geborgen. Die Suche nach weiteren 16 Leichen in den völlig ausgebrannten und zertrümmerten Abteilen hielt gestern bei Redaktionsschluss noch an. Insgesamt reisten 86 Personen im Schnellzug. Neben den Toten sind mindestens 38 Verletzte zu beklagen. Der Güterzug, der normalerweise Säuren transportiert, fuhr zum Glück leer. Eine Umweltkatastrophe blieb aus.

Das schwerste Unglück in den letzten 30 Jahren heizt einmal mehr die Debatte über den Zustand des spanischen Schienenverkehrs an. Anders als zum Beispiel in Deutschland war die einspurige Strecke nicht mit einem automatischen Bremssystem elektronisch gesichert. Alles hing vom Weichensteller ab. Als dieser sich getäuscht hatte, nahm das Unglück seinen Lauf. Nicht nur an Sicherheitssystemen spart die spanische Bahngesellschaft Renfe. Auch die Strecken selbst sind in einem jämmerlichen Zustand. Alleine dieses Jahr kam es ohne den aktuellen Unfall zu 12 Zugunglücken. Dabei kamen zwei weitere Menschen ums Leben und hunderte wurden verletzt. Vor allem der Talgo, vergleichbar dem deutschen Intercity, ist von den Unfällen betroffen. Er springt immer wieder aus den Gleisen. Schuld daran ist zum einen die schlechte Qualität der Gleisbetten. Frost und Regen provozieren immer wieder kleinere Erdrutsche. Zum anderen stellte sich bei einem Unfall heraus, dass die Spurweite der Gleise sich verstellt hatte. Mangels Wartung wurde das erst entdeckt, als der Talgo aus der Spur geriet.

Laut einem Bericht der Bahnbehörde reicht es längst nicht, die Gleise regelmäßig zu warten. Sie sind nach jahrelanger Sparpolitik in einem so schlechten Zustand, dass „ein Dringlichkeitsplan zur völligen Erneuerung“ her müsse, „um die Mängel zu beheben, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen, und neuerliche Unfälle zu verhindern“. Die Gewerkschaft CCOO verlangte nach dem jüngsten Unfall einmal mehr „ein größeres Gleichgewicht in Sachen Investitionen“. Die Regierung würde einseitig den Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecken unterstützen, während bei den herkömmlichen Strecken immer mehr gespart wird. „Das führt zu einem ständigen Anstieg von Unfällen auf dem konventionellen Streckennetz“, so die Gewerkschaft. CCOO hatte erst vor kurzem die Modernisierung des Stellwerkes in Cinchilla gefordert. REINER WANDLER