Aus Erfolg entlassen

Im Regierungsbezirk Arnsberg sollen Polizisten eingespart werden – sie hatten zu erfolgreich gearbeitet

BOCHUM taz ■ Das NRW-Innenministerium zieht zunehmend Polizisten aus dem Regierungsbezirk Arnsberg ab. Betroffen sind auch die Städte Bochum und Dortmund. Die Gewerkschaft der Polizei fürchtet einen „sicherheitspolitischen Kollaps“.

Die Anzahl der Beamten sank seit 2003 von 35.650 auf 35.500, von 150 wegfallenden Planstellen werden 93 Prozent im Regierungsbezirk Arnsberg abgebaut. „Das Land macht Sicherheit nach Kassenlage“, beklagt Herbert Planke, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW. Ulrich Rungwerth, Pressesprecher des Innenministeriums, sieht keine andere Möglichkeit: „Mit leeren Kassen kann man kein Personal einstellen. Wir hätten auch gerne mehr Polizisten.“ Außerdem sei es lediglich eine Umverteilung zugunsten von Städten mit höherer Kriminalitätsbelastung wie Köln oder Düsseldorf.

Die Polizeistellen im Regierungsbezirk wurden Opfer ihres eigenen Erfolgs: Gute Ergebnisse in der Polizei-Statistik zur Kriminalitäts- und Verkehrsunfallbekämpfung führen jetzt zum Abzug der Beamten – der Regierungsbezirk Arnsberg hat mit 51,76 Prozent die höchste Aufklärungsquote in Nordrhein-Westfalen. Auch Sprecher Rungwerth findet die Maßnahme nicht unproblematisch, sagt aber: „Ein intelligenteres Modell ist noch niemandem eingefallen.“

In Bochum sind 69 Beamte betroffen, die abgezogen werden sollen. In der Nachbarstadt Dortmund sollen 34 Polizisten zu anderen Dienststellen. Herbert Weber, Vorsitzender der GdP für Bochum, Witten und Herne fürchtet den „sicherheitspolitischen Supergau“. Im Wachdienst fehlten bereits jetzt 80 Mitarbeiter und die Belegschaft der drei Städte schiebe einen Berg von 375.000 Überstunden vor sich her.

„Der Innenminister fordert immer den bürgernahen Schutzmann an der Ecke, aber faktisch fehlen uns die Leute auf der Straße.“ Die Polizisten würden in Büroarbeit versinken und seien überlastet: „Bei den Beamten im Ermittlungsdienst ist es teilweise so schlimm, dass viele davon krank werden“, sorgt sich Weber. Ulrich Rungwerth vom Innenministerium kritisiert die Aussagen der Gewerkschafter: „Es ist eine Mär, dass immer mehr Polizisten am Schreibtisch sitzen. Von 2002 auf 2003 sind die Überstunden sogar um 30 Prozent zurückgegangen.“

Herbert Planke wirft dem Innenministerium dagegen vor, die tatsächliche Belastung der Polizei angesichts neuer Formen der Kriminalität zu verschweigen. Computer- und Internetkriminalität, Terrorismusbekämpfung aber auch ein intensiveres Vorgehen gegen häusliche Gewalt und zeitaufwändige DNA-Analysen erforderten ein höheres Arbeitspensum. „Dabei fahren nach unseren Erkenntnissen bereits jetzt rund 1.000 Polizistinnen und Polizisten weniger Streife, als es die Papierlage des Innenministeriums vorsieht.“ Langfristig laufe es darauf hinaus, dass der Streifendienst ausgedünnt und weitere Wachen geschlossen würden.

„Wenn unsere Aufklärungsquote gut bleibt, werden wohl im nächsten Jahr weitere Stellen gekürzt. Ich weiß nicht, wie wir das auffangen sollen“, sagt Weber. Sein Kollege Planke sieht auch für die landesweite Entwicklung keine Besserung: „Der Landtag hat beschlossen, bis 2008 weitere 2.143 Stellen abzubauen.“ Planke fordert stattdessen, das Personal aufzustocken: „Eigentlich wären 5.000 zusätzliche Polizisten notwendig.“ So entwirft Weber ein düsteres Szenario : „Vielleicht kommen irgendwann die Streifenwagen zu spät und wir müssen den Bürgern sagen: Tut uns leid, wir haben zu wenig Leute.“

TIMO NOWACK