Der Widerstandskämpfer als Workaholic

Heute Uraufführung: Das Oldenburger Universitätstheater zeigt Carl v. Ossietky unter privatem Blickwinkel. Zum Beispiel als Ehemann

Maud steht in ihrem weißen Sommerkleid auf der Bühne und beginnt eine Eifersuchtsszene. „Ich warne Sie. Wenn Sie Ihr Verhalten nicht ändern, werde ich auf Sie schießen“, droht sie. Das Theaterstück „Kleine Frau Schmetterling“ benutzt die emanzipierte Frau, um das Privatleben ihres von den Nationalsozialisten verfolgten Ehemanns Carl v. Ossietzky (1889-1938) wach zu rufen. Das Oldenburger Universitäts-Theater OUT zeigt heute die Uraufführung der vom Land Niedersachsen geförderten Produktion.

„In meinem Stück geht es nicht um den Helden Carl v. Ossietzky. Meinen Fokus habe ich auf den Privatmann gerichtet“, sagt Autor und Regisseur Ingo Putz. Der Titel „Kleine Frau Schmetterling“ bezieht sich auf den Kosenamen Ossietzkys für seine Frau. Es sei Zeit, gegen das Vergessen des Friedensnobelpreisträgers anzuarbeiten, meint Putz.

Das Zwei-Personen-Stück beginnt in der Weimarer Republik. Ein der Obrigkeit unbequemer Journalist verliebt sich in eine junge Frau englisch-indischer Abstammung. Das Paar, gespielt von Hillit Saathoff und Dieter Hildebrandt, heiratet. Ossietzky wird unter dem Druck der Nationalsozialisten zum Workaholic. Seine Frau vereinsamt, beginnt zu trinken. Die Szenen spielen in der Berliner Wohnung des Paares. Zentrales Thema des Zweiakters ist die Heimatlosigkeit des Paares.

Ossietzky, 1889 in Hamburg geboren, entwickelt sich im Ersten Weltkrieg zum Pazifisten. Als Chefredakteur der Zeitschrift „Die Weltbühne“ begleitet er die Machtergreifung der Nationalsozialisten kritisch. 1931 wird er wegen eines Artikels über die Aufrüstung der Reichswehr zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. 1933 nimmt ihn die Geheimpolizei (Gestapo) fest. Ossietzky landet im Konzentrationslager Esterwegen. 1936 erhält er gegen den Willen Adolf Hitlers den Friedensnobelpreis. 1938 stirbt er an den Folgen der Haft.

„Kleine Frau Schmetterling“ wird bewusst in Oldenburg aufgeführt. Wegen der geographischen Nähe zum KZ Esterwegen heißt die Universität seit 1986 Carl v. Ossietzky Universität. Die damaligen Proteste gegen diese Namensgebung zeigen nach Ansicht des Regisseurs, wie wenig das Thema Ossietzky aufgearbeitet war. „Bis heute haftet dem Nobelpreisträger das Image des Landesverräters an.“ Dabei seien seine Friedensappelle angesichts des Irak-Krieges „faszinierend aktuell“.

In der Schlussszene des Theaterstücks sitzt das Ehepaar Ossietzky am Tisch und spielt die eigene Hochzeit nach. „Ich habe dich die ganze Zeit verliebt angesehen. Den ganzen Weg zur Kirche“, flüstert Carl seiner Frau zu. Es klopft. Die Gestapo steht vor der Tür, um ihn abzuführen – das Ende eines unbeugsamen Friedenskämpfers.

Sabine Komm

Premiere: Heute Abend um 20 Uhr im Oldenburger Unikum (Uhlhornsweg 46 - 55). Weitere Vorstellungen: 12., 19., 26. Juni, 3., 9. Juli. Karten gibt es unter ☎ (0441) 798 26 58