Soldaten erschießen Deutschen in Aceh

Indonesiens Militärs wundern sich, was zwei Deutsche in der umkämpften Bürgerkriegsprovinz gemacht haben

BANDA ACEH taz ■ Indonesische Soldaten haben während ihrer Offensive in der nach Unabhängigkeit strebenden Nordwestprovinz Aceh Mittwochnacht einen Deutschen erschossen und eine Deutsche schwer verletzt. Der für Militäroperationen in Aceh zuständige Kommandeur, Brigadegeneral Bambang Darmono, erklärte gestern vor der Presse in der Provinzhauptstadt Banda Aceh, die Soldaten hätten die Deutschen irrtümlich für Rebellen gehalten. Der Vorfall habe sich 170 Kilometer westlich im Ort Lhok Gayo bei der Stadt Meulaboh ereignet.

Laut Darmono hätte ein Dorfbewohner einen Militärposten informiert, dass er hinter seinem Haus verdächtige „Lichter von Batterielampen“ gesehen habe. „Der Militärposten war etwa einen Kilometer von seinem Haus entfernt“, so Darmono, weshalb die Soldaten nachgeschaut hätten. „Es war dunkel und die Soldaten riefen: ‚Wer ist da?‘. Aber es gab keine Antwort“, so Darmono. Darauf hätten die Soldaten zunächst in die Luft und dann in die verdächtige Richtung geschossen.

Der Tote wurde später als Hendrick Albert (54) identifiziert. Die durch Beinschuss verletzte sei Elisabeth Margareth (49). Sie und Alberts Leiche wurden zunächst ins Krankenhaus von Meulabah und später in ein Militärhospital gebracht. Unklar ist, was die beiden in der Region machten. Manche lokale Medien bezeichneten sie als Touristen. Andere spekulierten, sie seien Mitarbeiter von Hilfsorganisationen oder Journalisten.

Laut Darmono besaßen die beiden ein Touristenvisum, hatten sich aber nicht bei der Polizei gemeldet. Die hätte sie wohl sofort aus der Region verwiesen. Die deutsche Botschaft in Jakarta erklärte, zwei Mitarbeiter würden umgehend nach Aceh reisen. Bis dahin würden weder die Identität der Opfer bekannt gegeben noch Stellung bezogen. Sicherheitsminister Susilo Bamgang Yudhoyono kündigte gestern eine Untersuchung des Vorfalls an. Die Nachrichtenagentur AP zitierte Indonesiens Polizeichef Dai Bachtiar mit den Worten, untersucht werden solle vor allem, warum die Deutschen in Aceh waren. Das dort am 19. Mai verhängte Kriegsrecht erschwert unabhängige Recherchen. Transportmöglichkeiten sind eingeschränkt, Telefonverbindungen sind unzuverlässig, hinzu kommen fast tägliche Stromausfälle.

Die Schüsse auf die Deutschen könnten ein weiterer Schnitzer des Militärs in Aceh sein, das dort auf Befehl von Präsidentin Megawati Sukarnoputri versucht, die „Bewegung Freies Aceh“ (GAM) zu zerschlagen. Diese kämpft seit 1976 für einen unabhängigen Staat. Das Militär, das seine Truppen laut indonesischen Medienberichten mit aus Deutschland gelieferten Schiffen in die Region transportierte, verwehrt inzwischen den meisten internationalen Beobachtern den Zugang zur Provinz an der Nordspitze Sumatras. Dies erschwert die Überprüfung von Berichten über Gräuel des Militärs wie der GAM. Nach Angaben von Krankenhäusern wurden in Aceh seit dem 19. Mai 71 Menschen getötet, meist Zivilisten. Fast 450 Schulgebäude brannten ab, wofür sich Militär und Rebellen gegenseitig verantwortlich machen.

Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch äußerte sich in einem am Mittwoch veröffentlichen Bericht besorgt über extralegale Hinrichtungen in Aceh und über Militärpläne für Zwangsumsiedlungen. Kritisiert werden auch Planungen für gesonderte Personalausweise für Acehnesen, was eine rassistische Politik befürchten lasse. „Wenn es nichts zu verbergen gibt, sollte Indonesien schnell einen freien Zugang nach Aceh gewähren“, fordert Brad Adams von Human Rights.

ANDREAS HARSONO