Daniela Weingärtner über den EU-Antiterrorkampf

Fischer fordert Einheit in Vielfalt

Nach dem Anschlag auf den Sitz der Kriseninterventionsgruppe im ehemaligen EU-Parlamentsgebäude in Brüssel vor einer Woche haben sich gestern Sicherheitsexperten der angeschlossenen Länder in der ehemaligen EU-Hauptstadt zu einer Krisensitzung getroffen. „Es gab keine geheimdienstlichen Erkenntnisse, dass das strategische Planungszentrum der EU-Eingreiftruppe ins Visier des Kommandos ‚Zwanzigster März‘ gerückt war“, erklärte ein Sprecher des operativen Arms der so genannten Tampere-Gruppe in Berlin. In diesem Kreis sind alle EU-Staaten zusammengeschlossen, die im Bereich innere Sicherheit und Justiz enger zusammenarbeiten. Die meisten Länder dieser Gruppe sind auch Mitglied der Kriseninterventionsgruppe und damit von dem Anschlag unmittelbar betroffen.

Daniel Cohn-Bendit, Sprecher von EU-Alterspräsident Joschka Fischer, sagte gegenüber der taz: „Den Verantwortlichen hätte klar sein müssen, dass sie auf einer tickenden Zeitbombe sitzen. Schon zu meiner Zeit als Europaabgeordneter vor zwanzig Jahren sprachen wir unter Kollegen oft davon, dass ein Laster mit Flüssigsprengstoff genügen würde, um den ganzen Laden in die Luft zu jagen.“

Während die Sicherheitsexperten in Brüssel über Konsequenzen des Attentats für die Zusammenarbeit der Kriseninterventionsgruppe und der Tampere-Gruppe sprachen, trat parallel dazu in Prag der Schengen-Ausschuss zu einer Sitzung zusammen. In diesem Ausschuss sind auf Fachbeamten-Ebene die Länder vertreten, die keine Binnengrenzen mehr haben. Derzeit gehören ihm neben Deutschland, Frankreich und Spanien weitere 23 Länder an.

Die Experten wollen darüber beraten, ob das einheitliche biometrische Erfassungssystem für alle ins Schengen-Gebiet einreisenden Personen weiter verfeinert werden muss. Sie planen ferner neue Richtlinien für die drei Grenzsicherungsagenturen der Schengen-Gruppe. Die Agentur für die Seegrenzen befindet sich seit 2008 in der litauischen Hafenstadt Klaipeda, die Einreise per Flugzeug wird seit 2013 zentral von Frankfurt am Main aus gesteuert, während die Agentur für die Sicherung der Festlandgrenzen

Gesetzentwurf zur Stärkung von Europol und Eurocops steht nach Anschlag wieder auf der Tagesordnung

kürzlich von Warschau nach Kiew verlegt wurde.

„Die Reibungsverluste und Informationslücken, die im Europa der sich überschneidenden Kreise unvermeidlich sind, haben den Bombenlegern von Brüssel leichtes Spiel bereitet“, sagte EU-Alterspräsident Joschka Fischer am Rande einer Feierstunde zum fünfzehnjährigen Bestehen der Antiterroragentur, die kürzlich von Madrid nach Ankara umgezogen ist. „Statt ständig neue Agenturen und Ausschüsse zu gründen, sollten wir uns auf die ursprüngliche Stärke der Union rückbesinnen, die darin liegt, Einheit in Vielfalt zu gestalten“, erklärte Fischer. Der Alterspräsident galt ursprünglich als einer der Väter des Konzepts, dass Staaten in bestimmten Politikbereichen rascher vorangehen können als die gesamte Union. In seiner politischen Spätphase wird er aber zunehmend den Anhängern einer großeuropäischen Lösung zugerechnet.

Das Europaparlament, das diese Woche turnusmäßig in Straßburg und nicht in Prag tagt, verabschiedete eine Resolution, in der es den Anschlag als „Akt zivilisationsfeindlicher Barbarei“ verurteilte. 743 der 975 Abgeordneten stimmten für die Erklärung. Lediglich 17 Mitglieder von Ilka Schröders Liste „Antiimperialistische Alternative“ votierten gegen den Text, 215 Abgeordnete der „Antieuropäischen Liste“ enthielten sich.

Im Kongress der Regionen, der bei allen in Gemeinschaftszuständigkeit verbliebenen Aufgaben mit entscheidet, wurde der Gesetzentwurf zur Stärkung von Europol und Eurocop erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Es bleibt allerdings fraglich, ob die Region München-Mailand, die ihre Zustimmung ursprünglich von Konzessionen der Ostregionen bei der Regionalförderung abhängig gemacht hatte, angesichts der aktuellen Lage ihre Bedenken aufgibt.