Ein starker Abgang

Jürgen W. Möllemann ist bei einem Fallschirmabsprung ums Leben gekommen. Zuvor hatte der Bundestag die Immunität des Ex-FDP-Politikers aufgehoben. Er starb, während die Steuerfahndung sein Haus durchsuchte

BERLIN taz ■ Selbst der Tod des Selbstdarstellers wirkte wie inszeniert. Wenige Minuten nach der Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität ist der parteilose Bundestagsabgeordnete Jürgen W. Möllemann gestern mit dem Fallschirm abgestürzt. Gegen 12.20 Uhr hatte das Plenum einstimmig den Beschluss gefasst, fast zeitgleich begannen Polizei und Staatsanwaltschaft eine groß angelegte Durchsuchungsaktion in Möllemanns Büros und Wohnungen. Um 12.38 Uhr wurde die Leiche des früheren FDP-Politikers entdeckt.

Aus Polizeikreisen hieß es, ein Suizid sei „sehr wahrscheinlich“. Nach Angaben von Augenzeugen war Möllemann mit neun weiteren Fallschirmspringern vom Flugplatz Marl bei Recklinghausen gestartet und in 4.000 Meter Höhe abgesprungen. „Er hat an einem voll intakten Fallschirm gehangen, und der ist auch ganz normal aufgegangen“, sagte der Chef des Fallschirmclubs Marl, Thomas Vilter. „Und zu einem Zeitpunkt, der mir nicht klar ist, aber der ausreichend hoch war, hat er dann den Hauptschirm abgeworfen. Eine Störung war von hier aus, vom Boden aus, nicht zu erkennen.“ Auch den Reserveschirm, der normalerweise automatisch aktiviert wird, habe Möllemann nicht geöffnet.

Der ursprünglich für Mittwoch geplante Sprung der zehn Sportler war nach Polizeiangaben wegen der Wetterlage auf Donnerstag verschoben worden. Möglicherweise hatte Möllemann bereits vorzeitig von der anstehenden Aufhebung seiner Immunität und der geplanten Durchsuchung erfahren. Auf den Behördenwegen habe es zahlreiche Möglichkeiten der Indiskretion gegeben, hieß es aus Bundestagskreisen.

Die Durchsuchungen an 25 Stellen in Deutschland, Luxemburg, Spanien und Liechtenstein wurden nach Bekanntwerden der Todesnachricht abgebrochen. Die Staatsanwaltschaft Münster stellte ihre Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung sofort ein. „Herr Möllemann ist tot“, sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer. „Es gibt keinen Grund, gegen ihn weitere Ermittlungen zu führen.“

Der Bundestag in Berlin und der Düsseldorfer Landtag, die gestern zu Sitzungen zusammengekommen waren, gedachten ihres verstorbenen Mitglieds. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte, er habe „Herrn Möllemann wirklich gut gekannt und als Mensch geschätzt, gerade auch dann, wenn er es einem nicht besonders leicht gemacht hat“.

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