Kunst auf dem Klo

Zwischen den Pissoirs und Waschbecken im teuren WC-Center des Hauptbahnhofs stellt Daniel Schnier 150 „Bremer Bilder“ aus

Bremen taz ■ Noch bis zum 4. Mai gibt es im Bahnhofsklo mehr als Toilettenpapier für die 50 Cent Gebühren. Daniel Schnier zeigt dort Momentaufnahmen des Bremer Alltags – Hafenbecken und Rollstuhlfahrer vor der Schwankhalle, Werdersee und riesige Müllcontainer voll mit Brot von gestern.

Hinter dem „Toilettentraining“ steckt die Idee, „Leute, die sich sonst so etwas nicht ansehen, an einem Ort, an dem man sonst so etwas nicht ansehen kann, mit Kunst zu konfrontieren,“ sagt Schnier. Und grinst schief: „Naja. Mit so etwas Ähnlichem wie Kunst.“ Schnier ist Hobbyfotograf, und es ist seine erste Ausstellung. Die Bilder sind behelfsmäßig mit Kreppband auf Pappkarton befestigt, jeweils eine Ausführung für die Damen- und natürlich auch eine für die Herrentoilette.

Die Idee kam dem Diplomarchitekten, der heute im Zweitstudium Kulturwissenschaften studiert, bei einem Gang durch den Bahnhof. „50 Cent? Da piss‘ ich doch lieber vor einen Baum!“, klang es da aus dem WC-Center – und jetzt sorgt Schnier dafür, dass sich das Geld wenigstens lohnt. Auch wenn er für seine Ausstellung keine Prozente vom Eintritt bekommt. „Nicht schlimm,“ sagt Schnier „Schön, dass sich die Verantwortlichen überhaupt für die Sache begeistern konnten.“ Auf der Jagd nach den Eigentümern seines gewünschten Ausstellungsraums war Schnier über etliche Umwege schließlich zu Firma Heringbau in Hessen durchgestellt worden. Die nickte die Idee ab, und Schnier begann zu planen.

„Schön wäre es, wenn der WC-Center durch die Bilder zu einem Ort der Kommunikation werden würde.“ Das waren Toiletten schließlich auch im alten Rom. Es gab dort keine Einzelkabinen, und bis zu sechs Römer nutzten die Zeit für die Notdurft gemeinsam, um den neuesten Tratsch auszutauschen – mitunter sehr lange. Der durchschnittliche Deutsche dagegen braucht dafür heute nur 48 Sekunden – ein 60-Jähriger hat somit insgesamt ein halbes Jahr seines Lebens auf der Toilette verbracht.

Schnier lädt ein, diese Zeit zu nutzen, und er stößt damit bei vielen Klogängern auf positive Reaktionen: „Sonst weiß man beim Pinkeln ja doch nie, wo man hingucken soll.“ Viele hastige Reisende wissen die Bilder allerdings nicht recht zu schätzen: „Wenn ich Kunst will, gehe ich ins Museum.“ Ein bisschen fuchsig wurden ein paar Werderfans schon, als sie bei der Vernissage am Anfang April zwischen der Berliner Saxophonistin Conny Schneider und vielen Sekt schlürfenden Gästen ihre Hose herunterlassen mussten.

Eine jedenfalls freut sich ganz sicher über die Ausstellung auf dem Klo – Frau Backmann von der Service-Firma, die für die Sauberkeit im WC-Center sorgt. Die Bilder an den Wänden sind ihr zwar ziemlich egal, aber der Job als Toilettenfrau ist ein bisschen bunter, seitdem es auf den Klos Sekt und Saxophone gibt und der „nette junge Mann“ regelmäßig hereinschaut, um seine Bilder zu kontrollieren.Dorothea Ahlemeyer