Genbier: Die Neugier treibt‘s rein

Seit Februar gibt es in Schweden das erste Bier mit genmanipulierten Zutaten. Für eine kleine Brauerei ist es ein Werbegag, für die Biotech-Konzerne ein Testlauf auf dem schwedischen Markt. Monsanto zahlte Entwicklung. Verbraucher drohen mit Boykott

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Das Aufsehen war groß. Und das war auch die Absicht. Im Februar brachte die kleine Österlen-Brauerei im südschwedischen Ystad das erst Genbier auf den Markt. In Schweden, einem Land ohne die Segnungen des deutschen Reinheitsgebots, wird Bier nicht nur aus Hopfen und Malz, sondern auch schon mal mit Mais gebraut. Bei diesem mischt die kleine Familienbrauerei „Österlenbryggarna“ nun zehn Prozent GMO-Mais von Monsanto („MON 810“) bei, dem das Gen der Bakterie „Bacillus thuringensis“ eingebaut worden ist.

Die Initiative kam von Monsanto. Der Konzern war auf der Suche nach einem Absatzmarkt für sein genmodifiziertes Produkt. „Kenth“ heißt das Versuchskaninchen. Kenth Persson leiht dem Bier seinen Vornamen. „Es schmeckt frisch und fruchtig“, wirbt der Brauer, man habe es einige Gastwirte testen lassen, und die hätten „positiv reagiert“. Will eine Minibrauerei wie die seine zwischen all den großen Braukonzernen überleben, muss sie eine Marktlücke für spezielle Produkte finden. Für „Kenth“ heißt diese ganz offensichtlich „Neugier“. „Du hältst gerade ein einzigartiges Produkt in der Hand. Schwedens erstes Lebensmittel mit GMO-Kennzeichnung“, verkündet das Etikett der grünen 0,3-Liter-Flasche stolz. Das Bier sei gut für Umwelt und Landwirtschaft. Von einem „Bauern im deutschen Oderbruch“ komme der genmodifizierte Mais. Er sei weniger mit Chemikalien besprüht als gewöhnliche Sorten und damit umweltfreundlicher.

50.000 Liter möchte Persson von seinem „Kenth“ jährlich absetzen, und bislang ist er ganz zufrieden. Schon im ersten Monat seien 1.500 Liter nach Deutschland gegangen, und auch aus Frankreich und Spanien sei Interesse bekundet worden. Im Inland gingen die Geschäfte nicht ganz wie geplant. Eine Woche nach dem Start tauchten bei einem örtlichen Händler Greenpeace-AktivistInnen im verschlafenen Ostseestädtchen auf. Sie machten dem Ladenbesitzer klar, dass seine Lebensmittelkette ebenso wie die anderen schwedischen Großhändler schon vor Monaten beschlossen hatten, keinerlei GMO-Lebensmittel ins Sortiment zu nehmen. „Kenth“ verschwand aus dem „Kvantum“-Laden, und auch das Restaurant verzichtete schnell wieder auf das Bier, nachdem einige Stammgäste mit Boykott gedroht hatten. Seit 1. April kann man „Kenth“ allerdings landesweit über die staatlichen Alkoholläden „Systembolaget“ bestellen.

Von Monsanto & Co. wurden die Entwicklungskosten finanziert. Über deren Höhe will man nichts verraten. Die Wahl fiel auf Schweden, weil hier die GMO-Debatte noch in den Kinderschuhen steckt. Es gibt wesentlich weniger Kritik an genmodifizierten Produkten als beispielsweise in Dänemark und Deutschland. Laut einer Umfrage können sich immerhin die Hälfte der SchwedInnen vorstellen, GMO-Lebensmittel zu kaufen. Die Genlobby versucht deshalb, den „Kenth“-Versuchsballon auch auf alle erdenkliche Weise abheben zu lassen. Ein „Biotechnik-Zentrum“, hinter dem sich Firmen wie Syngenta, BASF Plant Sciences, DuPont, Dow und Bayer Crop Science verstecken, macht kostenlose Werbung für „Kenth“: „Ein gutes Bier, ein Bier, das signalisiert: neue Zeiten, neue Technik, neues Denken.“

„Man will den Widerstand gegen GMO-Lebensmittel brechen und setzt hierbei bei den Konsumenten an, die am leichtesten manipulierbar sind“, schimpft Bengt Ingerstam, Vorsitzender der Verbraucherorganisation „Konsumenter i Samverkan“. Und Greenpeace spricht von „Kenth“ als einem Puzzleteil in der langfristigen Strategie der Biotechnik-Konzerne.