Bei den Hundeessern

Svinia ist ein Ort im Osten der Slowakei. 700 Menschen wohnen hier, Roma, von andern Roma verachtet, Ausgestoßene, die als „Hundeesser“ beschimpft werden. Der Salzburger Autor Karl-Markus Gauß hat in einer ruhigen, intensiven, einfühlsamen literarischen Reportage aus Svinia und anderen Roma-Gettos der Slowakei berichtet, in einem Buch, das, so die Zeit, „noch die erbärmlichsten Zustände und die schmutzigsten aller Kinder in ein wunderbar erhellendes Licht der Einsicht“ stellt.

So schildert Gauß seine Ankunft in Svinia: „(Es) stieg mir unvermittelt ein Geruch in die Nase, so intensiv und ungewohnt, daß sich der Organismus sogleich wehrte, ihn aufzunehmen, und krampfhaft versuchte, das, was ich von ihm bereits eingeatmet hatte, wieder auszustoßen. Mit dem würgenden Geräusch eines unterdrückten Brechanfalls stolperte ich, den Oberkörper vornüber gebeugt, in die Siedlung, wo mich Dutzende Erwachsene, Jugendliche und Kinder aus erstaunten Augen ansahen und über meinen röchelnd hinuntergeschluckten Ekel sogleich in ein gutmütiges Lachen ausbrachen. Ich war mir sicher, sie wußten genau, daß mir der Gestank ihrer Siedlung den Atem geraubt hatte, der süße Geruch von Verwesung, der sich mit dem von Fäkalien, Benzin, vermodertem Holz, verbranntem Plastik verbunden hatte, diese Schwaden von Fäulnis, die aus jeder Ecke aufzusteigen schienen und betäubend durch den Ort zogen. Die ersten Atemzüge waren entsetzlich, immer wieder versuchte die Lunge das Einatmen zu verweigern, bis ich wackelige Knie hatte und spürte, wie mir unter der Regenjacke der kalte Schweiß das Hemd an den Rücken klebte. So bedrängt, kapitulierten die Atmungsorgane und sogen die Luft endlich ein, nach ein paar tiefen Zügen schon wurde es besser, der Geruch verlor seine Intensität, bis ich ihn nach einiger Zeit kaum mehr merkte. Als ich mich aufrichtete und wieder frei atmete, nickten mir von allen Seiten die Leute anerkennend zu, als hätte ich mir, meinen Ekel überwindend, Anwesenheitsrecht in ihrer Gemeinschaft erworben.“

Das Buch von Karl-Markus Gauß heißt „Die Hundeesser von Svinia“, ist erschienen im Paul Zsolnay Verlag, Wien 2004, und kostet 14,90 Euro.

Mit Gauß ging der Fotograf Kurt Kaindl nach Svinia. Seine Bilder sind – außer einem auf dem Schutzumschlag – nicht im Buch. Kaindl wurde 1954 in Gmunden, Österreich, geboren und lebt in Salzburg. Er arbeitet seit 1975 als Fotograf, nahm an zahlreichen Ausstellungen teil und hat an verschiedenen Universitäten Lehraufträge zu Geschichte und Theorie der Pressefotografie. Seine Bildbände sind:

„Innengebirg. Wege in die Tauern“ (1986 gemeinsam mit Heinz Cibulka, Text von Harald Waitzbauer)

„Wurzmühle. Industriearchäologie aus dem oberen Waldviertel“ (1994, Text von Harald Waitzbauer) und

„Abfischen“ (1997, Text von Hans Eichhorn)