Nur hereinspaziert, Mädels

Heute rennen insgesamt 109.000 Schülerinnen bei 5.000 Unternehmen, Institutionen und Behörden offene Türen ein – denn es ist wieder „Girls Day“, ein Zukunftstag für Mädchen

VON FRAUKE HINRICHSEN

„Wir wollen auf Seiten der Mädchen und Unternehmen Berührungsängste abbauen“, sagte Edelgard Bulmahn, Ministerin für Bildung und Forschung. Zusammen mit Renate Schmidt – zuständig für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – will sie den Anteil junger Frauen in den gut bezahlten technischen und naturwissenschaftlichen Berufen erhöhen – mit dem „Girls Day“.

Denn die Hälfte aller weiblichen Auszubildenden arbeitet in zehn klassischen „Frauenberufen“ wie Arzthelferin, Bürokauffrau oder Verkäuferin – obwohl eine Liste mehr als 400 staatlich anerkannte Ausbildungsberufe umfasst. Nicht nur die Zukunft der Mädchen haben die Ministerinnen im Sinn: „Die Wirtschaft kann es sich auf Dauer überhaupt nicht leisten, auf das Potenzial der Frauen zu verzichten, zumal eine Pensionierungswelle auf uns zukommt“, sagte Renate Schmidt.

Was auch immer mehr Unternehmen einleuchtet – die Zahl der teilnehmenden Betriebe und Institutionen seit dem ersten „Girls Day“ vor drei Jahren hat sich verfünfzigfacht. Doch je umfangreicher das „Schnupperangebot“ für die Mädchen wird, desto lauter wird danach gefragt, was denn nun eigentlich die Jungen am „Girls Day“ machen sollen, wenn ihre Klassenkameradinnen in Sachen Zukunft unterwegs sind. Zumal die Berufswahl bei Jungen ebenfalls von Geschlechter-Stereotypen eingeschränkt ist.

Dieser Argumentation folgte Brandenburg als erstes Bundesland. Seit vergangenem Jahr heißt der „Girls Day“ dort „Zukunftstag für Mädchen und Jungen“, weil es eben auch „eine Unterrepräsentanz von Jungen in den Erziehungs- und Pflegeberufen“ gebe, so Gabriele Wittrin, Referentin im Brandenburger Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen.

Auch in anderen Bundesländern und Städten gibt es Ansätze, die Jungen einzubeziehen – teilweise auf Initiative interessierter Eltern oder auf Veranlassung von Schulen. In Aachen etwa organisierte im vergangenen Jahr eine engagierte Mutter für ihren Sohn und seine Klassenkameraden Besuche in Kindergärten, Grundschulen, Altenheimen und Krankenhäusern.

In Niedersachsen initiierten Landfrauenvereine und ein Kreisverband an den Schulen einen spielerischen Basiskurs für hauswirtschaftliche Fähigkeiten. Motto: „Haushalts(s)paß für Jungen – selbst ist der Mann“. Beide Projekte waren beliebt und werden wegen des großen Erfolges dieses Jahr wiederholt.

In Hamburg gab es 2003 sogar Boykotte an Schulen – aus Protest dagegen, dass der Tag bisher nur für Mädchen bestimmt war. Deshalb hat das Landesinstitut für Lehrerbildung dieses Jahr ein ergänzendes Projekt für Jungen entwickelt und eine eigene Hamburger „Boys Day“-Internetseite eingerichtet. Unter dem Motto „Welches Auto sagt Danke?“ sollen Schüler für einen Ausflug in das Berufsfeld Erziehung und Pflege gewonnen werden.

Die Hamburger Grünen-Politikerin Verena Lappe allerdings kritisierte die Verwandlung des „Zukunftstages für Mädchen“ in einen gemeinsamen „Girls-“ und „Boys Day“: „Die Idee dieser Veranstaltung war es, etwas gegen die Lohndiskriminierung von Mädchen und Frauen in der Arbeitswelt zu tun“, so Lappe. „Die Umwandlung in einen Berufsorientierungstag für alle ist eine Verwässerung dieses Zieles.“

Auch Renate Schmidt sprach sich gegen einen gemeinsamen „Girls and Boys Day“ aus, wenn auch aus anderen Gründen: „Klar ist, dass wir mehr Männer in der Erziehung und Pflege brauchen“, so Schmidt, „aber eine Zusammenlegung würde der Ausstrahlung des Girls Days schaden.“

Doch ein eigener „Boys Day“ in Zukunft sei durchaus denkbar – schließlich sollten auch die Jungs entdecken dürfen, was da alles in ihnen stecken könnte.