saddam honecker und die ossis des orients von ANDRÉ PARIS
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Es ist das Privileg von Kriegsgewinnern, die Interpretationshoheit darüber zu besitzen, wie groß das Missverhältnis zwischen der Wohnungseinrichtung der Elite des besiegten Staates und seiner darbenden Bevölkerung gewesen ist. Gewieften Siegern gelingt es, den Luxus der einen als Kriegsgrund und Voraussetzung für die Armut der anderen darzustellen, um die Besiegten gegen ihre ehemalige Führung aufzubringen und deren Exekution durch die Siegermacht als feiernswerten Segen erscheinen zu lassen.

Allein, die Ostdeutschen haben bewiesen, dass es auch anders geht. Die Voraussetzung für die Annexion der DDR war ja nicht zuletzt die Enthüllung der „SED-Paläste“, die bewies, dass die „Partei-Bonzen“ ihr Volk über Dekaden belogen hatten. Denn dort, wo Luxus und Verschwendung erwartet werden durfte, kam Spanplatte und abstoßende Bescheidenheit zum Vorschein: Die DDR-Führung hatte unter Bedingungen gehaust, die kein westeuropäischer Sozialhilfeempfänger akzeptiert hätte. Als Bilder von Honeckers „Datsche“ um die Welt gingen, stand fest: Ja, die DDR war ein Unrechtsstaat, der seine Führung erbärmlich vor sich hin vegetieren ließ. Der „wissenschaftliche Materialismus“ hatte fertig.

Die Macht, die von „Schöner Wohnen“ ausgeht, kannte auch das Pentagon, als es Saddams Paläste stürmen ließ: Da der Irak erwartungsgemäß massenvernichtungswaffenfrei war, sollte die Welt wenigstens erfahren, wie verschwenderisch sein Diktator logiert hatte, während seine Untertanen vor Hunger an Kieselsteinen zutschten, die die USA im Austausch gegen Öl geliefert hatten. Doch neben Disney-Postern und westlichen Wichsvorlagen brachte die Palaststürmung besonders Folgendes zum Vorschein: Im Gegensatz zu den Ossis, mussten sich Iraker nicht für die Wohnungseinrichtung ihres Exstaatsoberhauptes schämen.

Nachdem US-Soldaten das Nationalmuseum und etliche Paläste vorgeplündert hatten, stachelten sie die Bevölkerung an, es ihnen gleich zu tun: „Bedien dich, Sindbad, hey, Ali Baba, der Rest gehört euch!“ Für kriegslegitimierende Fernsehbilder versuchten die USA vorzugeben, sie wären von der plündernden „Wut der Iraker“ auf ihren Diktator überrascht worden. Die Bilder von Irakern, die sich mit Hussein-Plakaten den Hintern abwischten oder mit Schuhen auf Saddam-Bilder eindroschen, werden für die USA die Rechtfertigung für zukünftige Angriffskriege von Bedeutung sein: „Seht her! All dies hätten die Iraker nicht gedurft, wenn wir nicht ihre Städte zerbombt und tausende von ihnen getötet hätten.“

Berlin-Ost 1989 und Bagdad-Mitte 2003: Die Bilder von der manierierten Freude der „Befreiten“ sind identisch. Während die „Jubel-Iraker“ ihr Nationalmuseum plünderten, stürmte auch das „glücklichste Volk der Welt“ seine wichtigste Kulturstätte: die Stasi-Zentrale in Ost-Berlin. Dass man in der Zone von der Plünderung weiterer Kunstschätze absah, ist wohl allein dem disziplinierenden Warten und Anstehen bei der Auszahlung des Begrüßungsgeldes zu verdanken.