Kurfürstensex

Scheibe-Wischer (III und Schluss): Wie ein Bordell, das es nicht gibt, Berliner Gerichte wochenlang auf Trab hielt

Alle Jahre wieder: Zum Jahreswechsel gewährt taz-Justiziar und Rechtsanwalt Peter Scheibe Einblicke in die Abgründe des Presserechts.

Vor einem Jahr war es das große Thema in der Berliner Lokalpresse: die angebliche Eröffnung eines Bordells durch ein dort bereits ansässiges Sexkaufhaus in der Kurfürstenstraße.

Täuschen lassen sollte man sich nicht von dem hochherrschaftlichen Namen, hat die Gegend doch schon seit Jahren mit grassierender, aggressiver Straßenprostitution zu kämpfen. Kurfürstlich-feudal – allerdings nur aus Sicht der Beherrschten – sind dort allenfalls die Arbeitsverhältnisse der Frauen.

Die als Betreiberin genannte Firma wollte also dieses explosive Gemisch nicht noch weiter anheizen und bestritt die Planung eines Bordells. Um dem Gegendarstellungsbegehren der Betreiberfirma entgegenzutreten, veröffentlichte die taz, prominent in Platz und Umfang, einen eigenen redaktionellen Beitrag über die seit langem bestehenden „Sexy Firmenverbindungen“, wie dieser taz-Artikel hieß.

Die taz räumte darin ein, dass zwar nicht das Sexkaufhaus als solches das Bordell eröffnen wolle, konnte jedoch belegen, dass dessen Geschäftsführer (der nun gegen die taz vorging) aber als Miteigentümer des Gebäudes mit dem Betreiber des geplanten Bordells einen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen hatte, mit dem eben doch die Eröffnung des Bordells ermöglicht worden wäre. Vier Tage später beantragte die Betreiberin des Sexkaufhauses dennoch die gerichtliche Durchsetzung ihres vermeintlichen Rechts auf Gegendarstellung, deren Entgegnung lauten sollte: „Wir haben nichts dergleichen vor.“

Genau diese Feststellung war aber, wie die taz-Recherchen ergeben hatten, irreführend. Gerade das aber darf eine Gegendarstellung nicht sein. Nachdem das Landgericht Berlin diese Bedenken dem Sexkaufhaus mitgeteilt hatte, weil „die begehrte Gegendarstellung angesichts der wirtschaftlichen Verflechtungen der Antragstellerin mit dem geplanten Bordellbetrieb irreführend sein könnte“, nahm dieses seinen Antrag zurück, wollte aber die taz zur Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt wissen. Dem folgte das Gericht nicht und legte sich hinsichtlich der Irreführung endgültig fest, „denn die Antragstellerin hatte keinen Anspruch auf den Abdruck der begehrten Gegendarstellung“.

Auch die sofortige Beschwerde des Sexkaufhauses gegen diesen Beschluss blieb erfolglos. Das Kammergericht als Beschwerdeinstanz beschäftigte sich erst gar nicht mit der Frage der Irreführung, sondern führte aus: „Dabei kann dahinstehen, ob die von der Antragstellerin begehrte Gegendarstellung als irreführend anzusehen ist.“ Denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wäre bereits deshalb zurückzuweisen gewesen, weil die Antragstellerin sich selbst in der abzudruckenden Erklärung nicht hinreichend bezeichnet hatte und es deshalb an den formellen Voraussetzungen für den Abdruck der Gegendarstellung fehlte. Eine Gegendarstellung müsse eindeutig erkennen lassen, in wessen Namen sie abgegeben werden soll.

Und das Bordell? Dem wurde die behördliche Genehmigung verweigert.