Sellafield strahlt ein bisschen weniger

Dank neuer Technik soll aus der atomaren Aufbereitungsanlage künftig weniger Radioaktivität entweichen

OSLO taz ■ Norwegens Ministerpräsidenten Kjell Magne Bondevik war die Nachricht so wichtig, dass er kurzfristig zu einer Pressekonferenz einlud: London habe nach jahrelangem Druck endlich reagiert. Die britische Umweltbehörde und die Atomanlageninspektion Nuclear Installations Inspectorate haben grünes Licht für eine neue Reinigungsmethode in der atomaren Aufbereitungsanlage Sellafield gegeben. So soll der Austritt des radioaktiven Elements Technetium-99 (Tc-99) aus dem Abwasser nahezu gestoppt werden könne. Frederic Hauge, Vorsitzender der norwegischen Umweltschutzorganisation Bellona sprach von einem „Freudentag“.

Bellona war eine der ersten Organisationen, die Mitte der Neunzigerjahre Alarm geschlagen hatte. Klammheimlich hatte man in Sellafield damit begonnen, zusammen mit anderem Abwasser große Mengen Tc-99 ins Meer zu leiten. Meeresströmungen beförderten dieses von der Irischen See in die Nordsee und entlang der norwegischen Atlantikküste bis weit ins nördliche Eismeer. Lag Anfang der Neunzigerjahre die Tc-99-Konzentration in Hummern, Seetang und Algen vor der norwegischen Küste bei nahezu null, wurden zehn Jahre später Konzentrationen von 660 Becquerel (Bq) pro Kilogramm gemessen. 1.250 Bq ist der EU-Grenzwert. In unmittelbarer Nähe Sellafields waren die Konzentrationen mit bis zu 17.000 Bq noch dramatischer.

Neben Umweltschutzorganisationen schlossen sich die Regierungen Irlands, Dänemarks, Norwegens, Schwedens und Islands den Protesten an. Gemeinsam forderten sie von London einen Stopp dieser radioaktiven Verseuchung. Nach langem Zögern stimmten die Behörden im vergangenen Jahr dem Test einer neuen chemischen Reinigungsmethode mit Hilfe von Tetraphenylphosphonium zu. Gleichzeitig wurde das Ablassen von Tc-99-haltigem Abwasser aus einem großen Lagertank vorläufig eingestellt.

Eine Auswertung des Reinigungsversuchs fiel positiver aus als erwartet: Es ergab sich bei Tc-99 ein Reinigungsfaktor von 97,5 Prozent. Nebenbei wurden auch noch Teile des radioaktiven Strontium-90 entfernt. Statt der 240 Terabecquerel (TBq), also 240 Billionen Bq, die bis zu der für 2007 terminierten Beendigung des Tc-99 Austritts in das Meer abgelassen worden wären, werden dies nun „nur“ 5,5 TBq sein. Das Problem Sellafield ist aber nicht löst: Im vergangenen Monat hatte erst die EU-Kommission protestiert, weil effektive Sicherheitskontrollen nicht möglich seien. REINHARD WOLFF