Ganz vorsichtiger Optimismus

Die amerikanische Konjunkturlokomotive kommt langsam wieder in Fahrt. Ein abruptes Bremsen würde vor allem Entwicklungsländer belasten

VON STEPHAN KOSCH

Der Weltwirtschaft geht es – zumindest auf dem Papier – besser. Mit dieser guten Nachricht im Gepäck treffen sich heute in Washington die Vertreter der Mitgliedstaaten von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF). Der IWF hat seine Prognose für das globale Konjunkturwachstum angehoben und geht nun für 2004 und 2005 von rund viereinhalb Prozent Plus aus.

Doch der Optimismus ist getrübt. Sorge machen den Experten neben der Angst vor neuen Terroranschlägen der hohe Ölpreis und das hohe Leistungsbilanzdefizit der USA, Dieses bewertet der IWF als ein erhebliches mittelfristiges Risiko. Vor allem die Entwicklungsländer würden unter den möglichen Folgen leiden. Das Problem ist, dass die USA weiter deutlich mehr Waren und Dienstleistungen importieren, als sie ausführen. Diese Entwicklung dürfte auch in den kommenden Jahren anhalten, erwartet der IWF. Das muss durch einen vermehrten Kapitalzufluss ausgeglichen werden. Damit wird eine Zinserhöhung, die zum Beispiel Käufer von Staatsanleihen anlocken könnte, oder eine weitere Abwertung des Dollars und damit Verbilligung der US-Produkte wahrscheinlich.

Ein Anstieg der Zinsen jedoch könnte die Finanzmärkte in Unruhe versetzen. Der IWF erwartet, dass dies weltweit zu einem höheren Zinsniveau führen könnte, worunter vor allem Industrieländer mit expandierenden Immobilienmärkten wie Großbritannien und Spanien sowie die verschuldeten Schwellenländer, besonders in Lateinamerika, zu leiden hätten. Zudem bemängelt der IWF das hohe Haushaltsdefizit der USA, das 2004 bei 4,9 Prozent verharren würde. Dies bereite Sorgen, auch wegen Finanzierungsproblemen der Sozialversicherung. Notwendig sei ein „glaubwürdiger mittelfristiger Konsolidierungskurs“, fordert der IWF.

Für Dierk Hirschel, Chefökonom beim Deutschen Gewerkschaftsbund, ist das der falsche Weg. „Hätten die Amerikaner in den letzten beiden Jahren nicht 150 Milliarden Dollar in die Hand genommen, hätten wir keine weltwirtschaftliche Erholung“, verweist er auf die Rolle der USA als Konjunkturlokomotive. Vor einer Konsolidierung der Finanzpolitik in den USA müsse sich Europa ebenfalls als Motor der Weltwirtschaft begreifen. Ein erster wichtiger Schritt wäre die Senkung der Zinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB).

Nach Einschätzung von Holger Schulz, Volkswirt beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband, ist das Problem des hohen US-Defizits nicht neu. Im Unterschied zu den 90er-Jahren fließe das noch in die USA strömende Kapital aber in weniger nachhaltige Projekte. Während damals Infrastruktur und Unternehmenswerte geschaffen wurden, werde das Geld nun für das gesamtstaatliche Defizit und den Verteidigungshaushalt benötigt. Er erwartet ebenfalls eine Zinsanhebung und eine Abwertung des US-Dollars. Sollte dies schrittweise geschehen, könnten sich auch die Volkswirtschaften der Entwicklungsländer darauf einstellen. Doch auch ein radikaler Schritt, der deutlich größere Probleme verursachen würde, sei nicht ausgeschlossen.

Neben den USA stehen auch die gestiegenen Ölpreise auf der Agenda des Treffens. Dieses Problem will Deutschland im maßgeblichen Ausschuss, in dem die wichtigen Öl produzierenden Staaten sitzen, ansprechen sowie ins Abschlusskommuniqué bringen. Der IWF ist besorgt und rechnet mit einem Barrelpreis von 32,50 Dollar in diesem Jahr, acht Prozent mehr als bislang angenommen. Mangels Reserven könne der Ausfall eines einzigen Ölproduzenten dramatische Folgen haben.