Experimente in der 3. Dimension

Elise macht einen Ausflug in den Weltraum, Timo ist für einen Tag Erzieher in der Kita: Wie ein Junge und ein Mädchen den Girls’ Day verbrachten

AUS BERLIN UND HAMBURG FRAUKE HINRICHSEN
UND EVA WEIKERT

Elise Beutner hat ein schwarzes Loch in ihrer Hand – unter dem Mikroskop. „Weil das Gehirn aus zwei Bildern eines macht“, vermutet die dreizehnjährige Schülerin. Stimmt: Unter einer Linse liegt ihre Hand, unter der zweiten das Bild von einem Loch. Sehen beide Augen gemeinsam, legt das Gehirn die Bilder übereinander.

Elise Beutner und zehn ihrer Klassenkameradinnen sind im Rahmen des Girls’ Day zu Gast im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof. 150 Betriebe beteiligten sich gestern in der Hauptstadt an dem Aktionstag, die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Arbeit erwartete 6.400 interessierte Mädchen für die Führungen und Besichtigungen.

Elise erzählt, von einer Freundin habe sie den Tipp bekommen, das Luft- und Raumfahrtzentrum zu besuchen. „Ich finde den Weltraum, die Sterne und das Universum einfach spannend“, sagt sie. In Adlershof bekommt sie aber nicht nur in außerirdische Dinge Einblick. In einem Übungsraum hat Bernd Kirchner Experimente aufgebaut, Naturwissenschaften zum Anfassen. „Sperrt Augen und Ohren auf“, sagt Kirchner, „fragt, was ihr wollt.“

Tutor Jörg Megow erklärt den Mädchen, wie die dreidimensionalen Bilder entstehen, die sie in den vielen Büchern ringsherum anschauen können. Sie bestehen aus zwei Bildern, aus dem einen werde die rote und aus dem rechten die grüne herausgefiltert. Dann werden die Bilder am Computer übereinander gelegt. Die Mädchen müssen schielen, um hinter das Prinzip des Magic Eye zu kommen. Auf einem Poster sehen die Mädchen eine Gebirgslandschaft mit aufragenden Bergen. Sie setzen ihre Rot-Grün-Brillen andersherum auf: Aus den Bergen werden auf einmal Schluchten. „Die falschen Farben geraten quasi ins falsche Auge“, vermutet Elise. Das stimmt auch ungefähr. Nach einer Stunde ist die Experimentierzeit vorbei, die Gruppe steht wieder in der Sonne. Elise Beutner hat es gefallen: „Es war viel Neues, und es war interessant.“

„Interessanter, als man es in einem Buch nachlesen könnte, und besser erklärt“, ergänzt Melanie Krüger. Aber sie findet, der Aktionstag solle nicht auf Mädchen beschränkt bleiben. „Das wirkt sonst so, als ob Naturwissenschaften uns extra erklärt werden müssen.“

Ein Junge in der Kita

Timo hat alles im Griff: „Hey, komm da runter!“, ruft der Schüler einem Fünfjährigen zu, der gerade über den Zaun der Kita Markusstraße in der Hamburger Neustadt klettern will. „Kinder ruhig zu halten ist schwierig“, sagt der Gymnasiast, „ich wollte mal sehen, wie Erzieherinnen das machen.“

In Hamburg ist an diesem Donnerstag wie allerorten Girls’ Day. Erstmals aber gibt es auch Angebote für Jungen, in typische Berufe des anderen Geschlechts reinzugucken. Mit dem Motto „Trau dich“ will der CDU-Senat Jungs zum „Schnuppertag“ im Erziehungs- und Pflegesektor locken. Suchen doch Grundschulen und Kindergärten dringend Männer, weil es den Kleinen dort an männlichen Vorbildern fehlt. So finden sich unter den rund 250 Angeboten zum Boys’ Day hauptsächlich Kitas. Eine Umfrage dort macht schnell klar: Die Resonanz ist mau, Jungs haben keinen Bock auf Kinderhüten.

Außer eben Timo, dem vor allem die Jungs in der Seepferdchengruppe am Hosenbein hängen. Bis zum Mittag wird der 12-Jährige mit ihnen spielen und so manches Lied singen. „Dann schreibe ich einen Bericht“, erklärt er, „für die Schule.“ Dort hätten sich die meisten Mitschüler entschieden, den Tag „in Männerberufen wie Pilot und Polizist“ zu verbringen. „Mich haben sie veräppelt, ich ginge wieder in den Kindergarten.“

Der Spott lässt Timo aber kalt. Todernst argumentiert er, Grund für den Männermangel in sozialen Berufen seien die drohenden Kita-Schließungen und die niedrigen Gehälter. „Männer gehen nicht in Berufe ohne Zukunft“, sagt er, „sie suchen Jobs mit Aufstiegschancen.“

Mädchen den Mut zu geben, es den Männern darin gleichzutun, ist Kernanliegen des Girls’ Day. Das sehen vor allem Politikerinnen der grünen Opposition in der Hansestadt durch den neuen Mix aber nun gefährdet. Der Boys’ Day lenke die Aufmerksamkeit weg vom eigentlichen Thema, moniert die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Verena Lappe: „Mädchen zu interessieren für besser bezahlte, anspruchsvolle Berufe.“

Timo interessiert sich mehr für Reptilien als für Kinder, gibt er zu. Anders als sein Vater, der Monteur bei der Bahn ist und seine Arbeit „bescheuert“ findet, möchte Timo „Forscher im Dschungel“ werden. Und wenn das nicht klappt? „Dann werde ich eben Erzieher.“