Sexarbeit immer noch regellos

Die erste Feldstudie zum Prostitutionsgesetz bestätigt die pessimistischen Erwartungen

HAMBURG taz ■ Große Hoffnungen hatte sich wohl kaum jemand gemacht, als am 1. Januar 2002 das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostitution in Kraft trat. Ziel des Gesetzes war es, die Arbeits- und Lebenssituation von SexarbeiterInnen zu ordnen und Prostitution aus der Illegalität zu holen. Aber von Anfang an wandten Betroffene und Experten immer wieder ein, dass die Regelungen an den tatsächlichen Verhältnissen vorbeigingen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di wollte jetzt auf einer bundesweiten Konferenz „Arbeitsplatz Prostitution“ überprüfen, ob sich für die Betroffenen etwas geändert hat, ob also Prostitution hierzulande auf dem Wege ist, „ein Beruf wie jeder andere“ zu werden.

Das Herzstück im zweitägigen Programm der Konferenz stellte die Präsentation einer Feldstudie dar, die von der Hamburger Sozialwissenschaftlerin Emilija Mitrovic erstellt wurde. „Die Studie fragte danach“, so Mitrovic, „welche Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes es in den verschiedenen Städten und Bundesländern und in den verschiedenen Institutionen gibt.“ In sieben deutschen Großstädten wurden qualitative Interviews geführt, mit Sexarbeiterinnen, Bordellbetreibern und Vermietern, mit Polizisten, Finanzbeamten und Sozialarbeiterinnen. „Überall wird anders mit dem Prostitutionsgesetz umgegangen“, fasst Mitrovic die Ergebnisse der Erhebung zusammen, „aber nirgendwo wirklich zu Gunsten der Prostituierten.“ Nahezu keine der befragten Prostituierten habe eine Besserstellung ihrer rechtlichen Situation wahrgenommen. Auch träten nur sehr wenige auch tatsächlich für ihre neuen Rechte ein. Sie blieben lieber weiter in der Anonymität.

Erhebliche Unterschiede zeigten sich bei den Behörden, etwa bei der Einrichtung von Sperrgebieten oder der Frage, wo genau unzulässige Animation seitens der Prostituierten beginnt. Grundlegende Hemmnisse auf dem Weg zu einem ganz normalen Berufsleben entstehen Prostituierten aber auch durch kaum verhohlen moralisch begründete Ablehnung ihrer Profession durch Arbeitsagenturen oder Krankenkassen.

Ver.di betont, man habe sich frühzeitig Gedanken darüber gemacht, wie gewerkschaftliche Arbeit in diesem Bereich aussehen könnte, und sei „bereit, gegen die Ausbeutung der Sexarbeiterinnen zu kämpfen“. Neben Beratung besteht das konkreteste Angebot in der Formulierung eines Musterarbeitsvertrages für Prostituierte und Zuhälter, die dann zu regulären Arbeitnehmern und -gebern würden – wie vom Gesetz vorgesehen. Dass derartige Verträge auch flächendeckend abgeschlossen werden, stehe freilich kaum zu erwarten.

Handlungsbedarf sehen Ver.di, die Prostituiertengruppen und auch Emilija Mitrovic im Fall der migrierten Prostituierten ohne legalen Aufenthaltsstatus. Für sie hätte das Prostitutionsgesetz keinerlei positive Effekte: Ohne Arbeitserlaubnis können sie sich nicht auf das Gesetz berufen – wenden sie sich an Polizei oder Behörden, werden sie in aller Regel abgeschoben. „Im Grunde“, so Mitrovic, „ist das ein Skandal.“ ALEXANDER DIEHL