sars eingedämmt
: Der Ernstfall kommt noch

Überraschung! Kaum hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Frühjahr eine ernsthafte weltweite Bedrohung durch die Lungenseuche Sars ausgemacht, wird schon wieder das absehbare Ende der Gefahr proklamiert. Keime sind klein, aber gemein, das weiß man. Für die Erreger von Sars gilt das auch, doch glücklicherweise haben sich die Viren in den vergangenen Monaten nur als mäßig infektiös erwiesen. Man kann die Ankündigung der WHO, dass ein Ende des Sars-Ausbruchs in Sicht ist, deshalb kaum als Erfolg einer weltweiten Gesundheitspolitik feiern. Sicherlich hat die WHO enorme Anstrengungen unternommen, um die betroffenen Länder vom Seuchenschutz zu überzeugen. Doch wären die Sars-Viren nur halb so gefährlich wie etwa Pockenviren, hätten die Bemühungen zur Eindämmung der Epidemie wenig gefruchtet.

Kommentarvon WERNER BARTENS

Der Umgang mit Sars-Verdachtsfällen in Deutschland und anderen Ländern Europas hat denn auch gezeigt, dass die Mediziner und Mikrobiologen eher spontan als im Vertrauen auf einen wohl überlegten Notfallplan reagierten – weil keiner an ein Notfallszenario glaubt und entsprechende Handlungsanleitungen kaum existieren. Der Maßnahmenkatalog gegen eine Pockeninfektion hilft auch nur gegen diese Krankheit. Auf Sars waren die Mediziner selbst an deutschen Universitätskliniken nur unzureichend vorbereitet. Dort gibt es oftmals weder die nötige Infrastruktur noch die mit der Materie vertrauten Experten. Das in Ländern wie den USA längst etablierte Fach der klinischen Infektiologie fristet bei uns ein kümmerliches Dasein.

Seit Aids, Ebola und der Angst vor Angriffen mit Biowaffen ist die Bereitschaft, die Existenz neuer Seuchen zu akzeptieren, gestiegen. Dennoch tut sich im Bereich der medizinischen Vorsorge und Ausbildung wenig. Die Bedrohung scheint irreal und zu weit entfernt zu sein. Dabei sind immer mehr Erreger gegen herkömmliche Medikamente resistent. Alte Infektionskrankheiten wie die Tuberkulose erleben eine beunruhigende Renaissance. Und bei neuen Seuchen wie vor wenigen Jahren der Vogelgrippe oder jetzt eben Sars scheint zu gelten: Wenn die Gefahr vorüber ist, belässt man alles beim Alten und freut sich, dass die globale Gesundheitspolitik nicht wirklich auf die Probe gestellt wurde.

Dabei ist zu befürchten, dass sie einer Bedrohung durch eine sich schneller als Sars ausbreitende Epidemie nicht gewachsen wäre. Keime, die dazu in der Lage wären, gibt es genug.

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