Neue Wut aus altem Hass

Die katalanischen Garagenrocker „Tokyo Sex Destruction“ proben den Aufstand in der Tanzhalle

von Volker Peschel

Wäre der Ausdruck „Junge Wilde“ nicht schon von der CDU, dem Hort des Urwilden an sich, ausgelutscht worden, man müsste ihn für diese Bands aus aller Herren Länder bemühen, die eins gemein haben: Sie sind jung, meist sogar sehr jung, und haben von jenen gelernt, die vor 30 Jahren mal wild waren. Ihr Ziel: um die Welt reisen, in dreckigen Clubs den lauten Rock spielen und dabei Entschädigung bekommen für die Ungnade der zu späten Geburt.

Die Band Tokyo Sex Destruction (TSD) aus Barcelona ist diesbezüglich der heißeste Export von der Iberischen Halbinsel, doch sie haben es ganz pfiffig angestellt – wobei pfiffig ja bekanntlich von Pfeife kommt. Um alle Vorwürfe aus der Richtung „kenne ich, habe ich, weiß ich, die klingen ja genau wie ...“ im Keim zu ersticken, huldigen sie ganz plakativ ihren großen Vorbildern: den legendären Detroiter Proto-Garagen-Punkrockern MC5 aus den Endsechzigern. Als Hommage an deren ebenso legendären Manager John Sinclair, den Drogenfreund und Gründer der radikalen White Panther Party, haben sich die vier Musiker von TSD den Künstler-Nachnamen Sinclair verpasst. Ihre Booklets illustrieren sie mit Bildern der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.

Ausgestattet mit so viel ideologischer Abpolsterung lassen sie es entsprechend krachen. Heißer Garagenpunk, schnelle Gitarren, ein paar mehr Akkorde als die drei Notwendigen, eine gehetzte Hammondorgel im Hintergrund, dazu synkopisches Händeklatschen. Beim Sänger RJ Sinclair hört man, wie ihm der Schweiß von den Lippen spritzt und am Mikrofon Sabber hängt. „Hey Hey Heeey!“, prahlen sie natürlich in den Refrains und: „Yeah Yeah Yeeaah!“ „Gabba Gabba!“, möchte man noch hinterher rufen und, die restlichen Ramones würden begeistert sein.

Auf der Bühne hingegen scheinen TSD die Anzüge der charismatischen The Hives aufzutragen, so identisch ist ihre Optik aus schwarzen Einreihern mit entweder weißen oder roten Krawatten und Gürteln. Das macht was her, und so gehen sperrige Pamphlete wie „The youth that has been predisposed to become part of the production line of that terror machine called capitalism“ leichter von den Lippen.

Terrormaschine Kapitalismus. Auf ihrem nur knapp 30 Minuten langen Debütalbum Le Red Soul Communitte (10 Points Program) tragen sie strukturiert in eben zehn Punkten ihre Kritik am System vor. Gegen den Kapitalismus: „And everybody really knows / that 75 percent of all people can‘t pay their rent to live / yeah, and the rich people spend their money on illegal jobs / come on everybody / what can we do and what can we say?“

Nochmal gegen den Kapitalismus, der die Jungfräulichkeit raubt, wie wir ja seit den hervorragenden The (Int.) Noise Conspriracy wissen: „Capitalism plus dope equal genozide“ vermuten die hitzigen Köpfe von TSD in einem Songtitel, bleiben aber leider eine stringente Beweisführung dieser These, die die Konfliktforschung der letzten Jahrzehnte auf den Kopf stellen könnte, schuldig.

So sieht es aus. JC, RR, und SF Sinclair spielen zu diesen Tiraden ihres Sängers RJ im schönstem katalanischen Akzent schmissige Partypunkmusik mit viel Energie und Enthusiasmus. „Lock Up Your Daughters!“, raten die katalanischen Bengel, die sich gerade den Milchflaum abrasiert haben und dabei etwas putzig wirken. Doch hey, es ist ihr Debütalbum. „All power to the people, motherfuckers!“, skandieren sie. Okay.

Morgen, 21 Uhr, Tanzhalle