Personalisierte Kapitalismuskritik

Nimmt der Antisemitismus in der Linken zu? Auch die Globalisierungskritiker von Attac kommen nicht aus der Kritik

Mitte April warnte die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, vor antisemitischen Tendenzen bei Globalisierungskritikern: Kapitalismuskritik, die zur Wall Street führt, sei anfällig für Antisemitismus. Man denke, meint auch Timo Rheinfrank vom Zentrum Demokratische Kultur, nur an die Demonstrationen gegen das Weltwirtschaftsforum in Davos: Anti-Globs trugen ein goldenes Kalb, das von Demonstranten mit Scharon- und Bush-Masken angebetet wurde. „In dieser verkürzten Globalisierungskritik vermischen sich Antiamerikanismus und das Stereotyp des raffenden Kapitals.“

Peter Wahl vom Attac-Koordinierungskreis weist solche Vorwürfe zurück: „Unsere Kritik richtet sich gegen die internationalen Finanzmärkte. Vielen Kritikern geht es doch nur darum, diese Kapitalismuskritik zu diskreditieren.“ Doch mittlerweile kommen die Globalisierungsgegner von Attac um die Diskussion über interne antisemitische Tendenzen nicht mehr herum. „Es gibt auch bei Attac Strömungen, die zu einer undifferenzierten Israelkritik neigen“, sagt Peter Wahl. Im vergangenen Herbst gab sich Attac mit einem Eckpunktepapier einen Rahmen: Darin wird das Existenzrecht Israels genauso anerkannt wie das Recht der Palästinenser auf einen unabhängigen Staat. So jedenfalls die Theorie.

Doch wie Daniel Kilpert vom Zentrum für Antisemitismusforschung berichtet, verglichen schon einen Monat nach der Veröffentlichung des Papiers Attac-Referenten auf einer „Friedenstour“ die Politik Israels mit dem Vorgehen der Nazis im Warschauer Ghetto. Und die trotzkistische Gruppe „Linksruck“, die zu dem Bündnis gehört, schlägt auf ihrer Internetseite Slogans für Demonstrationen vor wie „Intifada bis zum Sieg“.

Im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten finde in Berlin innerhalb der Linken eine starke Auseinandersetzung mit dem Thema statt, meint Daniel Kilpert. „Die antideutsche Linke ist hier sehr stark.“ Die Polarisierung innerhalb der Linken zeigte sich auch im vergangenen Jahr am 1. Mai. Während die einen mit Israel-Fahnen demonstrierten, schwenkten andere am gleichen Tage Palästinenser-Fahnen. Das komme in anderen Städten nicht vor, so Kilpert. WB