„Politiker erweisen sich als schmerzfrei“

Attac-Sprecher Michael Friedrich über den Widerstand gegen undurchsichtige Geschäfte mit der Frankfurter Untergrundbahn

taz: Herr Friedrich, Sie wollen mit einem Bürgerbegehren das vom Magistrat geplante Cross-Border-Leasing-Geschäft stoppen. Warum?

Michael Friedrich: Wir sind in den vertraulichen Vertragsunterlagen, die der Öffentlichkeit nicht bekannt werden sollten, uns aber vorliegen, auf einige brisante Punkte gestoßen: Im Fall einer vorzeitigen Vertragsauflösung muss die Stadt das Fünffache dessen als Entschädigung zurückzahlen, was sie jetzt kassieren möchte. Außerdem sind mögliche Konkurse von Banken und Investoren mit erheblichen Risiken verbunden. Bei dem vertraglich festgelegten Rückkaufrecht nach 28 Jahren wird der Betrag von einer Bank garantiert. Fällt diese Bank aus, zahlt die Stadt Frankfurt.

Welche Gruppen unterstützen das Bürgerbegehren?

Es beteiligen sich neben der örtlichen Attac-Gruppe auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die katholische Friedensorganisation Pax Christi, der Verein Mieter helfen Mietern“ sowie die Friedens- und Zukunftswerkstatt. Und von den kleinen Ratsfraktionen im Römer die PDS und die freie Wählergemeinschaft.

Können Sie das Geschäft stoppen?

Die Resonanz ist sehr gut. Aber es ist kein leichtes Unterfangen, die notwendigen 40.000 Unterschriften zusammenzubekommen. Dennoch sind wir zuversichtlich, denn viele Bürgerinnen und Bürger sind empört und unterstützen unsere Arbeit.

Was kommt nach der Unterschriftensammlung?

Ein Bürgerentscheid. Die Frankfurter sollen selbst entscheiden.

Die Frage lautet: Cross-Border Leasing der U-Bahn – ja oder nein?

Es geht noch weiter: Mit dem Bürgerentscheid wollen wir erreichen, Frankfurt zur Cross-Border-Leasing-freien Zone zu erklären. Dazu kommt es, wenn eine Mehrheit entsprechend abstimmt, und mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne gegangen sind.

Warum ist das Bürgerbegehren vor allem eine Angelegenheit außerparlamentarisch tätiger Organisationen?

Das hat mit der speziellen Frankfurter Situation zu tun. Es gibt hier quasi eine Einheitsregierung aus CDU, SPD, Grüne und FDP. Die parlamentarische Opposition ruht auf den Schultern einiger kleiner Fraktionen, die nur über wenige Stimmen verfügen. Schon deshalb hat der Widerstand gegen das geplante Geschäft einen stark außerparlamentarischen Charakter.

Die mitregierende SPD ist aber doch auch gegen das U-Bahn-Geschäft.

Ja, aber sie hat angekündigt, kein Veto dagegen einlegen zu wollen. Obwohl sie natürlich von diesem Recht Gebrauch machen könnte. Offenkundig ist das Ganze für die regierenden Parteien Verhandlungsmasse – oder weniger diplomatisch ausgedrückt: Kungelmasse. Wenn wir auf die Risiken des Geschäfts und auf die brisanten Punkte des vertraulichen Teils verweisen, erweisen sich die Politiker als erstaunlich schmerzfrei. Das Motto scheint zu lauten: Da müssen wir jetzt durch. Einige Abgeordnete haben uns auch gesagt, dass es für sie unglaublich schwer ist, die Materie richtig zu verstehen. So ein Vertrag kann über 1.000 Seiten dick sein. INTERVIEW: THOMAS KLEIN