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: Am Fleischerhaken

„Rote Kapelle“ (Mo., 0.15 Uhr, ZDF)

Eigentlich sollte der Regisseur Stefan Roloff vorige Woche bei der Kerner-Show zu Gast sein, um seinen Dokumentarfilm „Rote Kapelle“ vorzustellen, in dem er, ausgehend von seinem Vater Helmut Roloff, die Geschichte einer der größten Widerstandsgruppen in Nazideutschland erzählt. Nur der erhofften Publicity wegen hatte das ZDF Roloffs Film auf den unsinnigen montäglichen Sendetermin platziert – statt auf den 20. Juli. Aber: Kerner disponierte um, verschob den Besuch auf Oktober, der absurde Ausstrahlungstermin für den Film blieb.

Die so genannte Rote Kapelle war ein loses Netzwerk von Regimegegnern mit unterschiedlichstem politischen und sozialen Hintergrund, knapp die Hälfte von ihnen waren Frauen. „Es waren Leute, die in dieser braunen Brühe nicht leben konnten“, wie ein Überlebender im Film sagt. Der Name „Rote Kapelle“ stammt von der Gestapo, die Gruppe sollte als sowjetische Spionageeinheit diskreditiert werden – und es ist ein Skandal bis heute, dass genau das gelungen ist.

Die Rote Kapelle half bedrohten Mitbürgern, brachte Flugblätter in Umlauf und hatte Kontakt mit der amerikanischen Botschaft und der russischen Handelsmission. Im September 1942 flogen drei Mitglieder auf, danach wurden 100 verhaftet, 49 hingerichtet. Für sie wurden in Plötzensee die Fleischerhaken für den Strang angebracht, die auch später für Widerständler des 20. Juli benutzt wurden. Nach dem Krieg verleumdeten die ehemaligen Gestapo-Schergen die Gruppe als gefährliches sowjetisches Spionagenetz, die Darstellung fiel bei den westlichen Geheimdiensten auf fruchtbaren Boden.

Die DDR wiederum vereinnahmte die Rote Kapelle als Kundschaftergruppe des Kommunismus. Als die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin 1989 Informationen über die Rote Kapelle in ihre ständige Ausstellung integrierte, hagelte es Proteste – von denen, die sich immer noch als den einzig legitimen Widerstand begreifen, die Akteure des 20. Juli nämlich und deren Wortführer.

Insofern ist Roloffs bewegender und künstlerisch ambitionierter Film ein absolutes Muss. Ausgerechnet am 20. Juli wird er in Berlin und Hamburg auch im Kino laufen. VERENA KERN