Ärger um Atom-Ei

Der Forschungsreaktor Garching II hat seine erste Panne –und bald soll auch noch das Betriebsmaterial ausbleiben

MÜNCHEN taz ■ Es ist ja nix passiert. Also gar nix. Na ja, fast gar nix. „Extremst gering“ sei die Menge an Radioaktivität gewesen, die am vergangenen Freitag beim erst kürzlich in Betrieb genommenen Forschungsreaktor II in Garching nahe München ausgetreten ist. Das betont der Sprecher des bayerischen Umweltministeriums mit allem Nachdruck – und verweist darauf, dass der zulässige Grenzwert 500-mal höher liege als die gemessene Strahlung.

Bei der Anlieferung von Fässern mit so genanntem schwerem Wasser hatten Techniker zwei undichte Stellen bemerkt. Das Material wird zur Kühlung von Brennstäben benötigt.

Auch wenn nach bisherigen Erkenntnissen offensichtlich keine Gefahr drohte, so werden sich die Verantwortlichen des von der Technischen Universität München betriebenen Reaktors angesichts des Zwischenfalls die Haare raufen. Jahrelang war der Reaktor, der mit atomwaffenfähigem Uran betrieben werden soll, heftig umstritten. Erst vor zwei Wochen konnte ein strahlender Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) die Anlage endlich in Betrieb nehmen.

Jetzt aber bekommt die sehr umtriebige lokale Bürgerinitiative gegen den Garchinger Reaktor wieder Wasser auf ihre Mühlen. Die Grünen im bayerischen Landtag kündigen umgehend eine parlamentarische Anfrage wegen der Panne an.

Und das ist nicht das einzige Problem der Garching-Lobby: Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) macht auch schon wieder Ärger.

Denn der teilte nun mit, dass Deutschland das mit Russland geschlossene Abkommen zur Lieferung von hochangereichertem Uran (HEU) bereits 2008 wieder kündigen werde. Eine weitere Lieferung sei „entbehrlich“, weil die Betriebsgenehmigung für die Anlage in Garching ohnehin vorsieht, dass ab spätestens 2010 statt HEU leicht- bis mittelangereichertes Uran verwendet werden muss, das nicht zum Bau von Atomwaffen taugt.

Gegen dessen Einsatz hatte sich aber TU-Präsident Wolfgang A. Herrmann stets ebenso gesträubt wie Bayerns Wissenschaftsminister Hans Zehetmair (CSU), der erst vor wenigen Tagen freimütig erklärte, wie wenig ihn die verbindliche Weisung des Bundesumweltministers kümmert: „Wenn es uns technisch möglich ist, werden wir 2010 umrüsten. Wenn nicht, dann eben nicht.“ Ähnlich äußerte sich auch Ministerpräsident Stoiber, der den Reaktor gern „zwölf oder fünfzehn Jahre“ weiter mit HEU betreiben will.

Die Idee: Bei einem Regierungswechsel im Bund könnte die Betriebsgenehmigung für Garching entsprechend geändert werden. Nur: Ohne den Nachschub aus Russland läuft dabei gar nichts.

JÖRG SCHALLENBERG