Mach‘s gut, Magister

Bachelor und Master sollen die Uni-Ausbildung revolutionieren. An Bremens Hochschulen laufen die Umstrukturierungen auf Hochtouren. Doch was bringen sie Studis und Arbeitswelt wirklich?

taz ■ Zum Sommersemester geht das Modell Bachelor im Bremer Fachbereich für Geistes-und Sozialwissenschaften in seine zweite Runde. Im vergangenen Wintersemester studierten 292 Politik- und Soziologie-Erstsemester an der Uni erstmalig nach den neuen Richtlinien. Erfolgreich? „Vieles ist noch schwammig und läuft verquer,“ sagt Jonas Westermann. Er gehört zur ersten Generation der Bremer Bachelor in den Geisteswissenschaften und ärgert sich über extrem hohe Prüfungsbelastungen, eine ungewisse Zukunft und Professoren, die sich im neuen System nicht zurechtfinden. Bis 2010 sollen überall in Deutschland Diplom, Magister und Staatsexamen abgelöst haben. Schon jetzt bieten insgesamt zehn Studiengänge an Uni und Hochschule Bremen den neuen Bachelor-Abschluss an.

„Effizient, praxisorientiert und obendrein berufsqualifizierend“ soll der sein – zumindest laut Gerhard Zacharias, Studiendekan der Soziologie und Mitglied des Akademischen Senats: „Weil die meisten Bachelor-Studiengänge nur sechs Semester dauern, werde das Berufseinstiegsalter für Hochschulabsolventen und Studienabbruchquoten gesenkt“, sagt er. Außerdem bringe das neue Konzept Flexibilität in Berufsleben und Ausbildung: Per Master könne man sich auch nach mehreren Jahren Beruftstätigkeit noch fachspezifisch weiterqualifizieren.

Grundsätzlich kein schlechtes Konzept, findet auch Stefanie Hennecke vom Bremer AStA. Bloß sei es noch nicht ausgereift – und das, obwohl die neuen Studienordnungen von einer unabhängigen Akkreditierungsagentur auf ihre Machbarkeit hin überprüft würden. Häufig allerdings erst, nachdem sie längst angelaufen seien. „So werden die sechs Semester oft mit zu viel Stoff vollgepfropft und manche Professoren passen ihre Lehre den neuen Regelungen nicht an,“ ärgert sich Hennecke darüber, dass Inhalte der Diplom- oder Magisterstudiengänge dem neuen System einfach einverleibt würden. Der Bachelor bedeute für die Studenten so vor allem mehr Prüfungen, mehr Anwesenheitspflichten, mehr Semesterwochenstunden und weniger Wahlfreiheiten.

Was sagen die Arbeitgeber?

„Mehr Arbeit – ja. Weniger Wahlfreiheit – nein!“, widerspricht Gerhard Zacharias. Er weist dabei auf die Anteile eines Studium Generale innerhalb der Bachelor-Prüfungsordnung hin: „Zwischen 12 und 30 Prozent ihrer Studieninhalte können die Studenten da selbstbestimmen.“

Janna Köke, die derzeit an der Hanse Law School ihren Bachelor in europäischem Recht macht, bereitet vor allem eines Sorgen: „Das Problem ist, dass bisher völlig unklar ist, ob Arbeitgeber den Abschluss wirklich akzeptieren,“ sagt die 21-Jährige.

Erst im Juni kommt die erste deutsche Studie zur Akzeptanz des neuen Abschlusses unter Arbeitgebern heraus. Vor allem in technischen und ingenieurwissenschaftlichen Betrieben herrschen bisher noch Zweifel darüber, ob in einem sechssemestrigen Architektur- oder Maschinenbau-Studium berufsqualifizierend ausgebildet werden kann. „Wir wollen das möglich machen, indem theorielastige Vorlesungen ausgespart werden und Projektunterricht in den Vordergrund tritt,“ erklärt Diplomingenieur Bernd Kuhfuss, der einen entsprechenden Bachelor-Studiengang mitdesignte.

Mancher Unternehmer begrüßt die Innovation ausdrücklich – vor allem wegen der Praxisorientierung. So erklärte Professor Manfred Siegel von Atlas Elektronik bei einem Fachgespräch zwischen Uni und Wirtschaft: „Dauer und Umfang des Studiums sagen wenig über die tatsächliche Qualifikationen von Studenten aus. Ich bin sicher, dass künftig viele Bachelor-Absolventen ihren Job bei uns besser machen werden als die Diplomer.“ Der Staat reagierte bisher weniger innovativ: Für den höheren Dienst reicht der Bachelor nicht, da wird demnächst der Master verlangt.

Alle wollen den Master

Die geringsten Arbeitsmarktprobleme sieht Gerhard Zacharias für Geisteswissenschaftler mit dem neuen Abschluss, ein eindeutiges Berufsprofil gebe es schließlich nicht. Verlassen will sich auf die positive Prognose aber noch kaum ein Student. „Ich kennen niemanden in meinem Studiengang, der plant, nach dem Bachelor aufzuhören. Alle streben ein Masterstudium an,“ sagt Janna Köke.

Die ganz große Reform an der Uni Bremen steht noch an. Im kommenden Wintersemester sollen auch die Lehramtstudiengänge auf das neue Modell umgestellt werden – verspätet, eigentlich sollte schon im letzten Jahr losgehen. Aber wegen ihrer Komplexität erforderte die Umstrukturierung mehr Zeit, als vorgesehen und außerdem wollte man das Projekt zeitgleich mit Niedersachsen starten. Geplant ist bisher, dass die Lehramtsanwärter in den ersten sechs Semestern vorwiegend fachspezifisch studieren, die Lehrqualifikation gibt es später per Masterabschluss. Hennecke kritisiert: „Fach- und Didaktikausbildung müssen eigentlich Hand in Hand gehen.“

Neben den „Reibungen, die bei Umstellungsprozessen dieser Größenordnung unvermeidlich sind“, so Zacharias, entsteht außerdem ein Problem für diejenigen Studenten, die ihr Studium knapp vor der Änderung starteten, und dann wegen Kind, Kohle oder Kunstpause einige Semester aussetzten. Das alte Studienangebot wird durch die Umstellung nämlich merklich ausgedünnt. Und wer erst 2010 zurückkehrt, findet voraussichtlich eine Uni vor, an der es seinen Studiengang nicht mehr gibt.Dorothea Ahlemeyer