Premiere: Rücktritt schon vor dem Antritt

Barack Obamas designierter Handelsminister Bill Richardson tritt zurück, der Gouverneur des Staates Illinois leider nicht. Für den neuen US-Präsidenten sind beide Affären, bei denen es um Korruptionsvorwürfe geht, ziemlich unerfreulich

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Bill Richardson, der vorgesehene Handelsminister des designierten Präsidenten Barack Obama, hat das Handtuch geworfen. Er ziehe sich von der Nominierung zurück, sagte Richardson am Freitag. Zwei Wochen vor dem Einzug Obamas ins Weiße Haus musste sein Team der Öffentlichkeit damit eine weitere heikle Personalie erklären. Richardson zog sich wegen eines Korruptionsverdachts zurück. Er fürchte, dass das laufende Verfahren gegen ihn sonst die Amtseinführung der neuen Regierung beeinträchtigen könnte, erklärte der Gouverneur von New Mexico am Sonntag. Obama nahm die Entscheidung „mit tiefem Bedauern“ an und kündigte an, rasch einen neuen Kandidaten zu präsentieren.

Mit seinem schnellem Abtauchen erweist Richardson Obama einen guten Dienst. Selbst wenn sich später herausstellt, dass der beliebte Gouverneur keine Schuld trägt, will sich Obama angesichts der ihn erwartenden Probleme keine Angriffsfläche erlauben.

Im Fall Richardson untersucht ein Gericht in Albuquerque laut Medienberichten, ob der Bundesstaat New Mexico Aufträge in Höhe von 1,4 Millionen Dollar zu Recht an die Finanzfirma CDR vergeben hat. Die Firma hätte zuvor Spenden an zwei von Richardson geleitete politische Komitees überwiesen, berichtete die Washington Post schon im Dezember. Untersucht werde nun, ob Richardsons Büro dafür gesorgt habe, CDR zum Dank den Auftrag zu erteilen.

Seine Nominierung wäre durch die Untersuchungen, die noch Wochen oder Monaten dauern könnten, belastet worden, erklärte Richardson. „Die Arbeit im Handelsministerium ist aber von höchster Dringlichkeit.“ Mit Richardson, dem ehemaligen Botschafter bei der UN, tritt ausgerechnet der einzige Hispanic im künftigen Obama-Kabinett ab, weshalb Latino-Organisationen bereits am Wochende Obama aufforderten, einen Nachfolger ebenfalls aus ihren Reihen zu wählen.

Laut Medienberichten gab es im Obama-Lager am Wochende aber noch weitere Personalien: Der Präsident im Wartestand wolle den Gouverneur des US-Bundesstaates Virginia, Timothy Kaine, zum neuen Vorsitzenden der Demokraten machen. Kaine, 50, soll damit Nachfolger von Howard Dean werden, der zuvor erklärt hatte, nicht wieder anzutreten. Kaine und seine Frau Anne Holton sind ebenso wie Michelle und Barack Obama Absolventen der Harvard Law School. Kaine gilt als Demokrat der neuen Generation, was so viel heißt wie unideologisch, pragmatisch und erfolgreich. Mit dieser Eigenschaft und großer Loyalität gegenüber Obama ermöglichte Kaine dem schwarzen Politiker sogar einen haushohen Wahlsieg im konservativen Virginia. Offenbar will Obama noch in dieser Woche verkünden, dass Kaine das Amt des Vorsitzenden des Nationalkomitees der Partei (DNC) übernehmen wird.

Unterdessen plagt die Demokraten weiter der Skandal um den Gouverneur von Illinois, Rod Blagojevitch. Bundesermittler klagten den Demokraten im Dezember wegen des Versuchs an, Obamas vakant gewordenen Senatssitz meistbietend zu verkaufen. Obama forderte sofort Blagojevitchs Rücktritt – doch der Gouverneur weigert sich seit Wochen und ernannte nun auch noch einen Nachfolger für Obama im Senat, den schwarzen Politiker Roland W. Burris. Zwar habe Burris, der frühere Generalstaatsanwalt von Illinois, für seine Ernennung kein Geld an Blagojevitch gezahlt. Doch der US-Senat kündigte am Sonntag an, er behalte sich das Recht vor, Burris’ Ernennung nicht anzuerkennen.

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