Nordzyperns Isolation vor dem Ende

Als Konsequenz der gescheiterten Wiedervereinigung erhalten Zyperntürken von der EU 259 Millionen Euro Wirtschaftshilfe. EU-Kommission beschließt Erleichterungen an der innerzypriotischen Grenze. USA wollen Benachteiligungen beenden

AUS NIKOSIAKLAUS HILLENBRAND

Nordzyperns Wirtschaft schöpft neue Hoffnung: Obwohl die türkischen Zyprioten aufgrund der Ablehnung einer Wiedervereinigung durch ihre zyperngriechischen Nachbarn vorläufig nicht in den Genuss der EU-Mitgliedschaft kommen, ist ein Ende der wirtschaftlichen Isolation in Sicht. Die Inseltürken sollen für ihr Ja zu Europa schließlich nicht bestraft, sondern belohnt werden.

Dazu trägt nicht nur die EU-Wirtschaftshilfe in Höhe von 259 Millionen Euro bei, die der international nicht anerkannte Norden aus Brüssel erhält. Insbesondere neue Regularien an der Green Line“, der von der UN-Friedenstruppe UNFICYP überwachten Demarkationslinie, dürften die Wirtschaftskraft des verarmten Landes stärken.

Nach dem von der EU-Kommission festgelegten System dürfen seit Anfang des Monats sämtliche in Nordzypern gefertigte Waren über den Süden des Landes in die EU exportiert werden. Die zyperntürkische Handelskammer gibt dazu besondere Zertifikate aus, auch um zu verhindern, dass türkische Produkte über diesen Schleichweg zollfrei die EU erreichen. In einem weiteren Schritt ist geplant, den Import auch von Waren zu regeln, die aus türkischen Einzelteilen zusammengestellt sind. EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat bereits die Einrichtung eines EU-Büros in Nord-Nikosia angekündigt.

Die Regeln an der „Green Line“ erlauben künftig Touristen, länger als nur für einen Tag vom Süden aus Nordzypern zu besuchen. Auch umgekehrte Reisen sind erstmals möglich. Die direkten Auswirkungen werden eher gering eingeschätzt. „Die meisten Touristen kommen mit einer Hotelbuchung nach Zypern“, sagte Nordzyperns Tourismusministerin Ayse Donmezer. Deshalb sei es unwahrscheinlich, dass Urlauber, die Zypern über den Süden erreichten, spontan ein Hotel im Norden buchten. Derzeit verbringen nur etwa 80.000 Touristen aus dem EU-Raum jährlich ihren Urlaub im Norden, im Süden sind es rund 2,5 Millionen.

Der „kleine Grenzverkehr“ erlaubt es wie bisher, dass Zyperntürken täglich zur Arbeit in den Süden kommen, wo die Löhne rund viermal höher sind. Derzeit betrifft das mehrere tausend Personen, die vor allem auf dem Bau beschäftigt sind.

Die bisher auf griechischer Seite eher laxen Grenzkontrollen mussten allerdings mit dem Beitritt Süd-Zyperns zur EU deutlich verschärft werden. Faktisch ist die „Green Line“ seit dem 1. Mai eine EU-Außengrenze. Die Zollgrenzen sind so eng wie nirgends in Europa: Nur eine einzige Packung Zigaretten etwa darf als persönliches Reisegut vom Norden in den Süden mitgenommen werden.

Noch bleibt der Export über Nordzyperns eigene Häfen und Flughäfen nach Europa gesperrt. Auch Flüge erreichen das Land nur mit einem Zwischenstopp in der Türkei. Eine Gesetzesinitiative des US-Kongresses verlangt aber ein Ende der wirtschaftlichen Isolation. Ministerpräsident Mehmet Ali Talat wollte gestern Abend mit US-Außenminister Colin Powell die Stärkung der Beziehungen und ökonomische Hilfen beraten. Seine Einladung nach Washington wird von Beobachtern als Zeichen für die Bereitschaft der USA zur Begründung direkter Beziehungen mit Nordzypern betrachtet.

Ein US-Außenamtssprecher erklärte im Vorfeld des Besuchs, die Regierung wolle Schritte unternehmen, um einer Benachteiligung der türkischen Zyprioten entgegenzuwirken. Dabei geht es auch um 400 Millionen US-Dollar, die ursprünglich für den Fall an Zypern ausgezahlt werden sollten, dass es am 1. Mai zu einer Wiedervereinigung der Insel gekommen wäre. Ein Teil dieser Summe könnte jetzt als direkte Wirtschaftshilfe nach Nordzypern gehen. Talat wollte für eine Aufhebung aller Wirtschaftssanktionen plädieren. Geplant war auch ein Treffen des Regierungschefs mit hochrangigen Vertretern der Weltbank: ein Novum, denn bisher existierte Nordzypern mangels internationaler Anerkennung für die Organisation überhaupt nicht. Das Bruttosozialprodukt der Republik Zypern liegt bei rund 17.000 Euro. Für den Norden wird es auf etwa ein Drittel bis ein Viertel dieser Summe geschätzt.