Schlacke – ein Abfallprodukt mit vielerlei Nutzen

Ein einzigartiges Forschungsinstitut in Duisburg-Rheinhausen sucht seit über fünfzig Jahren nach neuen Verwertungsmöglichkeiten von Schlacken. Die Abfallprodukte der Schwerindustrie kommen bei der Produktion von Düngemitteln, Hochleistungsbeton oder Pflastersteinen zum Einsatz

Das Ruhrgebiet war einst ein Synonym für Kohle und Stahl. Doch ein Großteil der Forschungsanstalten rund ums Montanwesen, siedelte sich lieber in Düsseldorf an, der Rheinprovinz-Hauptstadt, als bei potenziell aufmüpfigen Arbeitern. Ein Institut machte indes eine Ausnahme: Unweit der ehemals größten Hüttenlandschaft des Kontinents, in Duisburg-Rheinhausen, befasst sich die Forschungsgemeinschaft Eisenhüttenschlacken (FEhS) seit 1949 mit Verwertungsmöglichkeiten der Schlacke.

„Die bei der Stahlerzeugung entstehenden Hochofen- und Stahlwerksschlacken werden heutzutage fast zu 100 Prozent verwertet“, sagt Andreas Ehrenberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter des FEhS. Die größten Abnehmer der Schlacke: Straßenbau, Düngemittel- und Zementindustrie. Und der Einsatz des sogenannten Hüttensandes – ein Weiterverarbeitungsprodukt der Schlacke – hilft, den Abbau natürlicher Rohstoffe zu verringern und spart Energie.

Unterstützt wird die Forschungsarbeit des FEhs durch deutsche und österreichische Stahlerzeuger und Zementhersteller. Schwerpunkte der 50 Mitarbeiter zählenden Einrichtung sind die Beschäftigung mit Hüttensanden als Bindemittel, die Verbesserung der Materialeigenschaften von Hochleistungsbeton, die Nutzung von Stahlwerksschlacken im Wasserbau, die Umweltverträglichkeit von Eisenhüttenschlacken und die Verwendung der Schlacken als landwirtschaftliches Düngemittel.

Die Nutzung als Kunstdünger war eine der ersten Anwendungen der Hüttenschlacke. 1880 entdeckte der Apotheker Gerhard Hoyermann, dass die im so genannten Thomasverfahren erzeugte Stahlwerkschlacke in feinkörniger Form ein hochwirksamer Phosphatdünger ist – von Biolandwirtschaft war damals freilich noch keine Rede. Zwanzig Jahre zuvor, 1861 machte man die Entdeckung, dass die schnell mit Wasser abgekühlte Hoch-ofenschlacke, der Hüttensand, hydraulische Eigenschaften besitzt und damit als Rohstoff für die Zementerzeugung geeignet ist. Eine Grundlage für die Entwicklung der Hochofenzemente, die heute die Basis von Hochleistungsbeton bilden wie er beispielsweise für den Bau der neuen Düsseldorfer Flughafenbrücke verwendet wurde.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde allein in Deutschland schon über eine Milliarde Tonnen Schlacke verarbeitet – ein Volumen, das etwa 277 Cheops-Pyramiden entspricht. „Dies trug dazu bei, natürliche Ressourcen zu schonen“, meint der Vorstandsvorsitzende der FEhs Wolf Lanzer. Die besonders umweltschädliche Stahlindustrie war somit zugleich Pionier bei der Erschließung von Verwertungs- und Absatzmöglichkeiten für industrielle Nebenprodukte.

Klassisch wird Schlacke beim Bau von Verkehrswegen eingesetzt. Schotter im Gleisbau oder bei der Befestigung von Straßen findet ebenso seinen Einsatz wie Wasserbausteine als Erosionsschutz an den Uferbefestigungen von Flüssen und Kanälen. Dass verarbeitete und veredelte Schlacke auch richtig gut aussehen kann, zeigen viele Stadtstraßen im Ruhrgebiet: Die Duisburger Neanderstraße wurde um 1920 mit gegossenen Pflastersteinen aus Hochofenschlacke gedeckt. Auch heute noch sind die nostalgisch wirkenden Steine intakt – genauso wie rund 1 Million weitere allein in Duisburg-Hamborn. HOLGER ELFES