von rock bis rap: afrikanische musiker in london
: Stolz und Vorurteil

London ist das Mekka des Pop. Auch auf Musiker aus Afrika wirkt die Stadt deshalb wie ein Magnet. Nur in Paris leben mehr afrikanische Musiker als in anderen europäischen Metropolen.

Für Teddy Osei wurde der Traum zur Wirklichkeit. Mit Osibisa erfand er in den Siebzigerjahren den Afrorock und schaffte den Sprung in die Hitparaden. 1962 war er aus Ghana nach London gekommen, um als Bauinspektor zu arbeiten. Als sich diese Pläne zerschlugen, begann er, Musik und Schauspiel zu studieren. „Damals gab es kaum Schwarze in Großbritannien, die meisten kamen aus der Karibik“, erinnert sich Osei. „Als ich einige Landsleute traf, beschlossen wir, eine Highlife-Band zu gründen. Irgendwann spielten wir keine Cover-Songs mehr, sondern eigene Stücke. So begann Osibisa.“

Bald wurde Osibisa auch für weiße Clubs interessant, Auftritte an Colleges und Universitäten kamen hinzu. 1971 erschien ihr erstes Album, das sofort in den Hitparaden landete. „Unser erster Fernsehauftritt 1971 in der BBC-Show ‚Top of the Pops‘ war für alle Afrikaner in England ein Ereignis, weil wir die erste afrikanische Band in dieser Sendung waren“, erinnert sich Osei. „Wir zogen afrikanische Gewänder an. Die Wirkung war enorm: Viele Afrikaner gingen danach nur noch in ihren traditionellen Kleidern auf Partys. Wir trugen dazu bei, dass die Leute sich ihrer eigenen Kultur bewusst wurden.“

Für Teddy Osei war der Erfolg von Osibisa ein Glücksfall, der ihm bis heute ein bequemes Leben beschert. Doch die Mehrzahl der afrikanischen Musiker in London muss kämpfen, um über die Runden zu kommen.

Chartwell Dutiro aus Simbabwe, der das afrikanische Daumenklavier Mbira spielt, kann davon ein Lied singen. Er war jahrelang Mitglied in der Band von Thomas Mapfumo, dem bekanntesten Musiker seiner Heimat. Heute leitet Dutiro sein eigenes Ensemble namens Spirit Talk Mbira, mit dem er Konzerte mit traditioneller Musik gibt. Doch davon leben? Ein Witz! Dutiro ist froh, dass er an der „School for Oriental and African Studies“ Mbira unterrichten kann, sonst würde es finanziell nicht reichen. „Alle kassieren ab, nur die Musiker gehen leer aus“, klagt Dutiro.

Mehr Optimismus strahlt die junge Musikergeneration aus. Mit ihrem Afro-Rap zählt die anglo-nigerianische Band JJC & 419 Squad zu den Lieblingen der Londoner Clubszene, und mit „Gbao“ ist ihnen schon ein kleiner Hit gelungen.

Der Erfolg hat sie allerdings nicht handzahm gemacht. In ihren Songs sprechen sie unverblümt die Probleme des Lebens in der Fremde an. „Einwanderer zu sein hat mich zu dem geformt, was ich bin“, sagt der Bandleader. „Deshalb nenne ich mich JJC, das bedeutet ‚Johnny just come‘! So wurde ich genannt, als ich hier ankam. Am Anfang war es schlimm: Ich putzte Toiletten, um zu überleben. Aber die Musik hat mir beim Überlebenskampf geholfen.“

Das Problem, sich in die neuen Umgebung einzufinden, ist das Hauptthema von JJC, es geht um Stolz und Selbstbehauptung. „Mit der Emigration büßt man seine Identität ein“, findet JJC. „Man greift sich die nächstbeste schwarze Identitätskrücke – etwa Ragga, Garage oder Ähnliches. Man identifiziert sich damit und meint, ein Jamaikaner zu sein – was natürlich Quatsch ist, wenn man aus Nigeria stammt. Für solche Leute habe ich einen Song geschrieben mit der Botschaft: Du bist nicht Jamaikaner, du bist Nigerianer! Mach die Augen auf!“

CHRISTOPH WAGNER

Osibisa: „The Very Best of Osibisa“ (www.osibisa.co.uk); Spirit Talk Mbira: „Ndonga Mahwe“; JJC & 419 Squad: „Atide“ (www.jjc2uk.com)