Nordkoreas Schiffe im Visier

Japan hat mit der scharfen Kontrolle nordkoreanischer Schiffe begonnen. Sie sind Symbol einer realen Bedrohung, aber auf ihnen werden auch Waffen und Drogen geschmuggelt. Mit ihrer Maßnahme folgt die Regierung in Tokio einem Aufruf der USA

aus Tokio ANDRÉ KUNZ

Ein angerosteter Unterwasser-Scooter, ein mit Seetang verklebtes Flakgeschütz und ein dunkelgrüner Raketenwerfer, das sind die Attraktionen des Tokioter Marinemuseums, für die junge Japaner derzeit mehr als eine Stunde Schlange stehen. Niemand hatte erwartet, dass das Marinemuseum im trendigen Odaiba mit einem verrosteten nordkoreanischen Spionageboot zur Attraktion Nummer eins im Einkaufsquartier aufsteigen könnte.

Neben der Neugier treibt die Tokioter auch unterschwellige Angst vor einem zunehmend bedrohlichen Nordkorea ins Marinemuseum. Mit Langstreckenraketen, Massenvernichtungswaffen und Atombomben will Pjöngjang die Nachbarn einschüchtern und die Supermacht USA an den Verhandlungstisch zwingen.

„Dieses Spionageboot ist das Symbol für ein feindseliges Regime“, sagt der 28-jährige Hisashi Endo, der mit seiner Freundin in der Schlange steht. Der Grafiker interessiert sich erst seit vergangenem September verstärkt für Nordkorea. Damals hatten Japans Medien erstmals schlüssige Beweise dafür veröffentlicht, dass Nordkoreas Regime mindestens 15 Japaner entführt und für das Training von Spionen eingesetzt hatte.

„Nordkorea ist für unsere Außenpolitik die schwierigste Herausforderung, weil wir diesmal Farbe bekennen und eine härtere Linie gegen das Regime fahren müssen“, erklärt Endo und zeigt auf die drei Außenbordmotoren des havarierten Schiffs, die dafür sorgten, dass es mit einer Geschwindigkeit von 90 Kilometern pro Stunde flüchten konnte. „Wer so schnell abhauen will, hat keine freundlichen Absichten“, meint Endos Freundin Junko.

Solch besorgte Voten von Jugendlichen freuen Shinzo Abe, Japans Wortführer der politischen Falken und Unterhändler für die Freilassung von fünf der japanischen Entführten. Für die einheimischen Medien stellte er sich vor zwei Wochen vor das Spionageboot und forderte die konsequente Kontrolle aller nordkoreanischen Schiffe, die in japanisches Hoheitsgebiet einlaufen. Am selben Tage hatte die Regierung zwei nordkoreanische Krabbenfrachter in nordjapanischen Häfen wegen Verletzungen von Sicherheitsvorschriften anhalten und kontrollieren lassen. In Tokio erklärte Transportministerin Chikage Ogi, alles sei vorbereitet, um jedes nordkoreanische Schiff genauestens zu inspizieren.

Damit war Japan als erstes Land dem Aufruf der US-Regierung gefolgt, nordkoreanische Schiffe umfassend zu überwachen, um so die Ausfuhr von Drogen, Waffen und Falschgeld zu unterbinden. Diesem Aufruf hat sich inzwischen auch Australien angeschlossen, das kürzlich ein nordkoreanisches Schiff beim Drogenschmuggel erwischt hatte. Doch Japans Fahnder sind nicht nur auf Drogen und Waffen scharf, sondern auch auf japanische Exporte, die Pjöngjang für sein Raketenprogramm einsetzen könnte. Nach Aussagen eines nordkoreanischen Überläufers vor einem US-Senatsausschuss stammen die wichtigsten Komponenten für Nordkoreas Raketenprogramm aus Japan. Transportiert wurden sie mit der Fähre, die alle zwei Wochen zwischen dem nordjapanischen Niigata und Nordkorea verkehrte. In diesem Schiff soll auch viel Geld von in Japan tätigen nordkoreanischen Geschäftsleuten für Nordkoreas Regime von Kim Jong Il geschmuggelt worden sein.

Als am Pfingstmontag das Fährschiff seinen regulären Sommerdienst aufnehmen sollte, rückten in Niigata 1.900 Polizisten und Beamte verschiedener Ministerien an. Die vielen Polizisten waren auch zum Schutz vor rechten japanischen Gruppen da, die im Hafen gegen Nordkorea demonstrieren wollten.

Die Nordkoreaner sagten schnell den Fährbetrieb ab. Das Schiff lief nie in Niigata ein. Nordkoreas Führung verurteilte die neuen Kontrollen der Japaner als wirtschaftliche Sanktionen und drohte mit schrecklichen Vergeltungsmaßnahmen.

Über die Art der Vergeltungsmaßnahmen sorgen sich die Besucher im Tokioter Marinemuseum. Takashi Masuda (35) hat seine zwei Söhne im Grundschulalter mitgebracht. Für die beiden Kinder sind die Ausstellungsstücke wie Kuriositäten aus der populären Piraten-Trickfilmserie „One Piece“. Doch für den Vater sind die Exponate Ausdruck einer Bedrohung, die immer realer wird. „Wir müssen uns mit der Tatsache auseinander setzen, dass Nordkorea zuerst eine Rakete mit einer Atombombe auf eine unserer Städte schießen könnte, wenn sie unter zu starken Druck gesetzt werden“, sagt Masuda.