skandalausstellung
: Sex sells

Die Künstler verteidigen die Kunst, die Boulevardblätter die Moral – eigentlich nichts Neues. Dennoch, die Debatte um die Ausstellung „When Love Turns to Poison“ im Künstlerhaus Bethanien erregte die Gemüter, das hat nicht zuletzt der gut besuchte Diskussionsraum gestern im Bethanien noch einmal verdeutlicht. Wenn es um die Darstellung von Kindern als Objekten sexueller Begierde geht, werden eben alle ganz aufgeregt.

KOMMENTAR VON WIBKE BERGEMANN

Zweifellos war die Skandalkampagne der Springerblätter Bild und B.Z. Anfang April gegen die Ausstellung nichts weiter als voyeuristisch, heuchlerisch und verlogen. Ernster muss man dagegen die Kritik der Kinderschutzverbände nehmen, die argumentieren, die Würde des Kindes gehe der künstlerischen Freiheit vor. Tatsächlich geht die Ausstellung erstaunlich unbeschwert mit dem Thema Pädophilie um. Laut Pressetext wollte man sich sexuellen Obsessionen auch „mit Humor“ nähern.

Das gelingt durchaus in den ironischen Werken von Skip Hunter und Ella Verparajugs oder Frank Gaard. Doch umso unvermittelter steht der Besucher dann vor den Videoinstallationen von Matthias Seidel, die gerade wegen ihrer vordergründigen Harmlosigkeit einen Nerv treffen: wenn etwa angedeutet wird, dass eine Kasparhandpuppe eine auf dem Rücken liegende Puppe missbraucht. Dieses unkritische Nebeneinander wirkt geradezu naiv. Und nachgelieferte Warntafeln – nach dem Motto „dies ist keine Verherrlichung von Kindesmissbrauch“ – waren nur eine hilflose Reaktion.

Es stellt sich die Frage, wie viel Mündigkeit und Verstand Ausstellungsmacher von ihrem Publikum erwarten dürfen. Begleitende Diskussionsveranstaltung wären sehr viel aufschlussreicher gewesen – und zwar nicht erst zum Ende der Ausstellung.

Und schließlich ist die Empörung der Ausstellungsmacher über die skandalisierende Kampagne der Boulevardpresse nicht nachvollziehbar. Denn alle haben vom großen Skandal profitiert: Die Ausstellung war in aller Munde, die Springer-Zeitungen hatten ihre Sensation und die Kinderschutzverbände eine öffentliche Plattform.