Blair entschuldigt sich für Folter

Britischer Verteidigungsminister Geoff Hoon: Erst durch Zeitungsberichte von den Foltervorwürfen erfahren. Bericht des Roten Kreuzes lag seit Februar vor

BERLIN taz ■ Die britische Regierung hat von den Foltervorwürfen gegen britische Soldaten erst aus der Zeitung erfahren. Das sagte Verteidigungsminister Geoff Hoon gestern vor dem Unterhaus. Der Bericht des Roten Kreuzes über die Misshandlung irakischer Gefangener, der den britischen Behörden bereits im Februar zugegangen war, sei dem Kabinett erst „vor kurzem“ vorgelegt worden, sagte der Minister.

Sonntagabend hatte sich Premierminister Tony Blair in einem Interview mit dem französischen Fernsehen zu den Foltervorwürfen geäußert. „Wir entschuldigen uns zutiefst bei allen, die von irgendeinem unserer Soldaten misshandelt wurden“, sagte er. Den Bericht des Roten Kreuzes habe er bis heute nicht gelesen. Soweit er wisse, sagte Blair, würden der Armee nicht „systematische Misshandlungen“ vorgeworfen. Mit dem Bericht haben sich laut Blair lediglich Beamte niederer Ränge beschäftigt. „Der Premierminister ist schließlich weder für jedes Gefängnis im Land noch für jedes Gefangenenlager irgendwo anders zuständig“, sagte Blairs Sprecher.

Sowohl das Rote Kreuz als auch die Gefangenenhilfsorganisation amnesty international haben erklärt, dass sie die britischen Behörden bereits vor einem Jahr über Misshandlungen von Gefangenen im Irak informiert haben. Darüber hinaus hatte ein britischer Soldat auf Heimaturlaub im Mai 2003 einen Film in einem Fotogeschäft in Staffordshire abgegeben, der Gefangene zeigte, die offenbar zu sexuellen Handlungen aneinander gezwungen wurden. Eine Angestellte informierte damals die Polizei. Im selben Monat pries Blair seine Soldaten bei einem Irakbesuch: „Ihr habt unserem Land große Ehre gemacht. Ihr seid ein Vorbild dafür, wie sich Armeen in der ganzen Welt benehmen sollten.“

Blairs umstrittener Krieg ist seit den Foltervorwürfen noch stärker ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. In einer Umfrage des Independent verlangten 55 Prozent der Befragten, die britischen Truppen bis Ende Juni aus dem Irak abzuziehen. RALF SOTSCHECK