Digitales Netz für alle

Auch bei der Nutzung von Computern und Internet bleiben bestimmte Gruppen außen vor. Ein Podium sollte klären, wie Alte oder Arme trotzdem ins Netz kommen

Digitale Randgruppen: Sind das vergessene Bits und Bytes? Reste von der Cebit-Messe? Digitale Randgruppen sind Menschen. Menschen, die es nicht leicht im Leben und die keinen Zugang zum Internet haben. Menschen im Knast, Behinderte, Alte oder Arme, Menschen im Abseits der Informationsgesellschaft. Ihr Bildungsniveau sei meist niedrig, sagen Studien. Um das zu ändern wurde 2002 die Stiftung Digitale Chancen ins Leben gerufen. Am Dienstag lud sie zum letzten der sechs „Berliner Gespräche zur Digitalen Integration“ ins Museum für Kommunikation.

Unter anderem auf dem Podium: Sylke Freudenthal von der Veolia-Stiftung, die ein Internetcafé für Obdachlose in Berlin sponsert, Wilfried Hendricks von der TU, der für E-Learning im Strafvollzug plädiert, und Nikolaus Schmitt-Walter von der SevenOne Media GmbH, dem Werbezeitenvermarkter der Sat.1-Gruppe. Im Publikum mischten sich Wirtschaftsvertreter mit Menschen aus dem Sozialbereich. Randgruppen waren weder bei den Vorträgen noch beim Get-Together mit „Borchardt“-Catering zu entdecken.

Den Blick auf die Entwicklungen der Nutzerzahlen im Internet präsentierte Schmitt-Walter durch die Brille der „@-facts-Studie“: 500 Personen mit deutsch klingendem Namen werden täglich zu ihrem Onlineverhalten befragt – Migranten bleiben bei diesem Verfahren ausgespart, wie der Referent zugeben musste. Dabei dürfte gerade in der türkischsprachigen Community viel wirtschaftliches Potenzial vorhanden sein. Schmitt-Walter sprach von einer „digitalen Spaltung“ der deutschen Gesellschaft: Zwar nutze die Mehrzahl der über 14-Jährigen – 35,5 Millionen Menschen, davon 63 Prozent Männer und 47 Prozent Frauen – fast täglich das Netz, viele von ihnen verfügten über ein hohes Haushaltseinkommen und seien jung. Auf der anderen Seite der Schere fänden sich jedoch die Alten, die Armen, die Schlusslichter, was das Bildungsniveau angeht. Allerdings sollen die Hauptschüler während der fast zehnjährigen Verfügbarkeit des Internets kräftig aufgeholt haben – anfangs war der Zugang zu netzkompatiblen Rechnern nur an Hochschulen oder in Unternehmen möglich.

24 Millionen Deutsche, so Schmitt-Walter, könnten an der elektronischen Kommunikation nicht teilnehmen, weil ihnen finanzielle und technische Mittel fehlten oder sie gar nicht mit Computern in Berührung kämen. Um das „Kippen des sozialen Gefüges“ aufzuhalten, da war man sich in der anschließenden Debatte einig, müsse die Lebensbereicherung durch Internetzugang und Rechnernutzung mehr publik gemacht werden – um auch noch den letzten verstockten Nichtuser zu begeistern.

Dass das klappen kann, bewiesen die auf dem Podium vorgestellten Projekte: Wenn Menschen ohne festen Wohnsitz eine E-Mail-Adresse haben, wenn lernscheue Knackis sich Bildung per Software aneignen und Mädchen, für die Schule ein Horror ist, die Arbeit am Computer überhaupt nicht als belastendes Lernen begreifen, wenn körperlich und geistig Behinderte sich mit speziell aufgerüsteten Rechnern ohne fremde Hilfe informieren können, dann mögen das Tropfen auf den heißen Stein sein – kleine Schritte in Richtung auf digitale Integration sind es gewiss. SILKE KETTELHAKE