Wo der Duce um die Ecke lugt

Heute wird die italienische Botschaft im Tiergarten wiedereröffnet und glänzt zartrosa im einstigen Fascho-Look der Nazijahre. Zwar wurde die dunkle Vergangenheit an einigen Teilen nicht ungebrochen übertüncht, eine Auseinandersetzung mit der Geschichte oder ein baulicher Kontrapunkt aber fehlen

Ist die rekonstruierte Botschaft ein Spiegel der Berlusconi-Regierung?

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Johannes Rau kann heute den Haupteingang nehmen. „Italienische Botschaft“ steht neben dem Türknauf. Und damit alles andere auch mit rechten Dingen zugeht, haben die Römer zur Wiedereröffnung ihrer Mission in Berlin Staatspräsident Carlo Ciampi und nicht Silvio Berlusconi zum Festakt serviert. Hatte Letzterer doch schon einmal den Skulpturenschmuck des nun restaurierten Neorenaissance-Palastes aus der Zeit Mussolinis gerühmt. Man geht also auf Nummer sicher.

Zum neuen Understatement des faschistischen Monumentalbaus im Tiergarten gehört auch, dass die Italiener bei der Sanierung das schon berühmte Graffito eines Berliner Witzbolds entfernten. Wer in das teilzerstörte Gebäude wollte, in dem Räume des Konsulats untergebracht waren, musste den Seiteneingang nehmen. Dort stand in großen weißen Lettern: „Duce, zweimal klingeln“. So richtig gestört muss es die Botschaftsangehörigen nicht haben. Jahrzehntelang schmückte die ironische Kommentierung den Protztempel. Vielleicht wäre sie heute, meinte jüngst ein bissiger Berlusconi-Kritiker, mehr denn je angebracht – als bittere Aussage und Spiegel der aktuellen italienischen Regierung.

Vielleicht ist es ein Wink der Geschichte, dass gerade unter Berlusconi die italienische Botschaft wiedereröffnet wird. Nach mehrjähriger Bauzeit und Kosten von rund 100 Millionen Euro ist der Zweiflügelbau mit hohem Sockel und zwei Geschossen wieder zur baulichen Chiffre aus der Zeit seiner Entstehung 1942 avanciert. Form und Fassade sind originalgetreu rekonstruiert. Der Festungscharakter des Palazzos, sein überdimensionaler Säulenportikus und die Ornamente wurden aufgefrischt. Wie zu Kriegszeiten strahlt das Gebäude in hellem Rosa und ist innen mit Friesen und Brunnen geschmückt. Nur wer genau hinschaut, sieht, dass die Restauratoren die kontaminierte Geschichte, die Zerstörung und den Verfall des Nazibaus dokumentierten. Hat man doch Bombenschäden und Schusslöcher etwa an den steinernen Fensterumrandungen und im Hof belassen. „Natürlich werden wir die historische Erscheinung nicht durch Anbauten verändern, denn der Bau und sein Innenhof stehen unter Denkmalschutz“, begründete Paolo Faiola, italienischer Generalkonsul, 1999 die Entscheidung, das „Fascho-Denkmal“ nicht abzureißen, sondern baulich Nostalgie walten zu lassen.

Von Sehnsucht war in Italien zuvor lange nicht die Rede gewesen. Über 50 Jahre dämmerte die Botschaftsruine in einem Dörnröschenschlaf zwischen Tiergarten- und Hildebrandstraße – halb verfallen, halb provisorisch eingerichtet – vor sich hin. Während die ebenfalls zur NS-Zeit entstandenen Botschaften Japans, Estlands oder Norwegens bald nach dem Fall der Mauer wieder restauriert wurden und Neubauten von Indien und Österreich in der Nachbarschaft hochgezogen wurden, fasste man den wuchtig aufgepeppten U-förmigen Neorenaissance-Palast nicht an.

Ohne Sorge ließen die Italiener die Bombentreffer sich immer tiefer in das Gemäuer des Ostflügels fräsen. Der Haupteingang verfiel, ebenso die Innenräume. Putz bröckelte von den Wänden im südlichen – ebenfalls von Säulen verzierten – Hof, der einer Loggia nachempfunden war. Lässig nahm man „Duce, zweimal klingeln“ hin, ebenso die Geschichten über den einstigen Botschafter Anfuso, der noch im Luftschutzkeller bei Bombenhagel Champagner schlürfte.

Der Grund war klar, ging es doch um faschistisches Erbe. Ende der 30er-Jahre hatte Hitler seinen Kriegs- und Bundesgenossen, darunter Spanien, Japan und Italien, Grundstücke im Botschaftsviertel übereignet. Für den Städtebau zeichnete Albert Speer verantwortlich, als Architekt der italienischen Botschaft Speer-Mitarbeiter Friedrich Hetzelt, der das Haus „in der Baugesinnung des repräsentativen Neuaufbaus Berlins“ gestaltete. „Germania“ ließ grüßen. Heraus kam die monumentale Botschaftsburg Mussolinis, Anleihen aus der Renaissance eingeschlossen.

Distanz zu seiner dunklen Vergangenheit pflegt der Bau dennoch. Nach den Plänen des römischen Architekten Vittorio De Feo wurden die Nutzräume „weitgehend“ zeitgemäß gestalt. Dennoch muss sich De Deo den Vorwurf gefallen lassen, zu weit gegangen zu sein. Betritt man das klassizistisch stilisierte Entrée, so glaubt man, der Duce biege gleich um die Ecke. Außerdem wird man mit zwei mamornen römischen Liktorenbündeln konfrontiert, den späteren Symbolen der faschistischen Partei.

Rau und Ciampi, die die alt-neue Botschaft eröffnen, können sich ihren Teil dazu denken. Es hätte dem Bau gut getan, wenn dieser Teil auch zu sehen wäre.