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: Dönerteller statt Donatella

„Irgendwann ist auch mal Schluss“, hat jemand mit rotem Filzer und ungelenker Schrift auf die große Spanholzplatte geschrieben, die vor das Schaufenster in der Clemens-Schulz-Straße 86 geschraubt ist. Gemeint ist ein neuer Mieter, der über dem Spanplatten-Sichtschutz angekündigt wird, in großen schwarzen Lettern. Auf einer Tafel in Marmor-Optik prangt dort ein Sieben-Buchstaben-Logo, das sich wie eine Kriegserklärung an das gesamte Viertel liest: „VERSACE“.

Man ist ja einiges gewohnt, vom neuen St. Pauli: Im Sommer ist der schmale Fußweg der Wohlwillstraße mit Kinderwagen und Sonnenbrillen-Trägern völlig zugestellt. Und wer will, kann von der Kleinen Freiheit bis zum Heiligengeistfeld problemlos auf einer Latte-Macchiato-Welle dahingleiten. Aber Versace? Das geht zu weit!

Geht es tatsächlich: Das Schild hat der Künstler Filomeno Fusco angebracht, und es kündigt keine neue Dependance des italienischen Modelabels an, sondern soll auf die schleichende Gentrifizierung des Stadtteils aufmerksam machen. Die Holzplatte vor dem Fenster lässt den Passanten rätseln, was sich wohl dahinter abspielt. Zudem ist sie Projektionsfläche für die Reaktionen der Anwohner.

„Solange wir uns sonntags versoffen beim Penny treffen, ist die Welt noch in Ordnung“, hat ein besonders Schockierter darauf geschrieben. „Dönerteller statt Donatella“ fordert ein anderer. Kann er haben. Nur: Wie lange noch? MATHIAS BECKER