Eichel sinkt ins Milliardenloch

Dramatische Steuerausfälle für den Bundesfinanzminister. In den nächsten drei Jahren fehlen Bund, Ländern und Gemeinden 61 Milliarden Euro. Eichel plant höhere Schuldenaufnahme

BERLIN taz ■ Das Haushaltsloch ist nun offiziell: „10 bis 11 Milliarden Euro“, musste Finanzminister Hans Eichel (SPD) gestern einräumen, fehlen im Bundeshaushalt allein in diesem Jahr. Hauptgrund ist die gestrige Revision der Steuerschätzung. Demnach müssen sich bis 2007 Bund, Ländern und Gemeinden mit 61 Milliarden Euro weniger zufrieden geben als noch im vergangenen Herbst gehofft. Allein dem Bund fehlen in seinem Haushalt 2004 deshalb 5 Milliarden Euro der eingeplanten Steuereinnahmen. Der mickrige Bundesbankgewinn, die fehlenden Mauteinnahmen und die hohe Arbeitslosigkeit sorgen für den restlichen Fehlbetrag.

„Die Steuerschätzung verdeutlicht die Folgen, die drei Jahre Stagnation für alle öffentlichen Haushalte haben“, beurteilte Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) gestern das Zahlenwerk des Arbeitskreises Steuerschätzung. Die aufkeimende Konjunktur zeichne sich noch nicht in den Steuereinnahmen ab, denn die folgten in der Regel erst mit einiger Verzögerung der Wirtschaftsentwicklung.

Das Defizit im diesjährigen Haushalt will Hans Eichel mit einer höheren Schuldenaufnahme decken. Denn eine „hektische Verschärfung des Sparkurses“ oder Steuererhöhungen würden den „noch nicht endgültig gefestigten Aufschwung“ gefährden. Damit könnte sich Eichel erneut bedenklich der Rekordverschuldung seines Amtsvorgängers Theo Waigel nähern.

Trotz der Steuerausfälle verlangte der Unionsfraktionsvize Friedrich Merz gestern erneut eine „grundlegende Steuerreform“. Die Pläne der Union würden den Haushalt mit weiteren 10 bis 25 Milliarden Euro belasten. CDU-Generalsekretär Meyer verlangte eine sofortige Haushaltssperre. Die schnellste Lösung allerdings „wäre ein Abtreten der Regierung Schröder“. Eichel wies dies zurück: Es sei „die anhaltend ablehnende Haltung der Union im Vermittlungsausschuss“, die „die Haushaltslage erheblich schwieriger“ mache.

Während die Union die Steuern senken und die SPD die Steuern stabil halten will, brachten die Gewerkschaft Ver.di und das Attac-Netzwerk gestern erstmals einen Vorschlag für etwas höhere Steuern ins Gespräch. In Berlin stellten sie ihre „Solidarische Einfachsteuer“ vor, die jährlich 12 Milliarden Euro mehr einbringen soll. „Die Ruinierung der öffentlichen Finanzen kann nicht so weitergehen“, erklärte Attac-Sprecher Sven Giegold. Die Verbände fordern niedrigere Einkommensteuern, aber weniger Schlupflöcher für Selbstständige und Unternehmer sowie eine Abschaffung des Ehegattensplittings. MATTHIAS URBACH/RENI

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