Unter Einfluss

Lobby (englisch Vorhalle) bezeichnet ursprünglich die Wandelhalle des amerikanischen Kongresses, in der sich Abgeordnete mit Interessenvertretern der Wirtschaft trafen. Lobbyisten nennt man heute Verbands- und Firmenvertreter, die versuchen, politische Entscheidungen in Parlament und Regierung in ihrem Sinn zu beeinflussen.

Was sie dürfen und was nicht, ist in den Geschäftsordnungen von Bundesregierung und Bundestag festgelegt. Alle Interessengruppen, die an Anhörungen und anderen offiziellen Terminen teilnehmen wollen, müssen sich in der so genannten Lobbyliste der Bundesregierung akkreditieren. Derzeit sind 1.781 Verbände bei der Bundestagsverwaltung registriert – beinahe doppelt so viele wie vor zwanzig Jahren. Auf einen Abgeordneten kommen somit fast drei Lobbyisten. Allein im Gesundheitswesen gibt es etwa vierzig Interessensgruppierungen.

Eine „Anatomie des Lobbyismus“ zeichnen die Politikwissenschaftler Thomas Leif und Rudolf Speth in „Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland“ (Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003, 385 Seiten, 32,90 Euro). Zwar ist die organisierte Interessenvertretung ein legitimes und sinnvolles partizipatorisches Element in einer Demokratie, doch werden mangelnde Transparenz und Kontrolle des Lobby-Einflusses von Kritikern immer wieder angemahnt.

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) verpflichtet sich neuerdings zur Selbstkontrolle, um Korruptionsvorwürfen zu entgehen: Im Februar hat Cornelia Yzer als VFA-Hauptgeschäftsführerin den Verein „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ vorgestellt. Der soll dafür sorgen, dass Richtlinien für den Umgang mit Ärzten eingehalten werden. Verhindert werden sollen vor allem unlauterer Wettbewerb und die Bestechung von Medizinern.

Der Verein kann auch als Sieg der Pharmalobby gewertet werden, da – als Reaktion auf korruptionsbedingte Milliardenschäden bei den Krankenkassen – ursprünglich ein der Regierung unterstellter Korruptionsbeauftragter vorgesehen war. Jetzt darf sich die Industrie selbst auf die Finger schauen.

Stichwort Medikamentenflut: Länder mit Positivlisten, wie etwa Holland oder Finnland, verfügen über die gleiche Versorgungsqualität bei wesentlich geringeren volkswirtschaftlichen Kosten – in Deutschland fließt jeder zehnte verdiente Euro in den Medizinmarkt. Im Gegensatz zu Deutschland mit seinen 40.000 Arzneien kommt Schweden mit 3.500, Frankreich mit 1.500 Präparaten aus, um das gesamte Spektrum der Krankheiten zu behandeln. ANITA BLASBERG