szenenapplaus
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Die Frage ist ja immer, wo beginnt und wo endet die Zivilisation. Oder, wie Schiller es in der „ästhetischen Erziehung des Menschen“ so griffig formulierte: Trägt Kunstgenuss tatsächlich zur sozialen Veredelung des Menschen bei?

Nun ja, in Maßen mag das gelten, insbesondere dann, wenn der Betreffende eine ganze Ausstellung, besser noch: ein ganzes Gebäude wie etwa die Kunsthalle für sich allein hat. Keine Kollision fordert da die zwischenmenschliche Flexibilität heraus; friedfertig wie nie wandelt der Gourmet durch die Gänge, einzig auf das gebotene Ästhetikum konzentriert.

Wie nun aber, wenn sich – sagen wir: am vorigen Donnerstag – am Kunstvereins-Eingang Massen drängen, um dem (übrigens mit berechtigter Besorgnis erwarteten) Vortrag des designierten documenta 12-Leiters Roger M. Buergel zu lauschen? Da kann es dann schon mal schwierig werden mit der berühmten Kinderstube – und wenn sich dann einer der Einlass Begehrenden noch erdreistet, einen Rucksack zu tragen, wächst der Drängelfaktor schnell ins Unermessliche: „Das war der Rucksack, nicht ich“, kann dann der beim Drängeln ertappte Kunstexperte behaupten, taub für das Argument, dass sich derlei Behältnisse seltenst von allein bewegen.

Doch genau genommen ist das natürlich ein kleingeistiges Argument. Denn wer will schon sicher sagen, dass sich nicht just eine Weltpremiere ereignete und das Utensil tatsächlich Odem und Muskeln bekam? Eine Beobachtung, die zweifellos in die Sphäre nobelpreisverdächtiger Forschungen gehörte, die in einschlägigen Laboratorien fortgesetzt gehören.

Doch derweil man dies gedacht, haben sich schon zwei weitere Kunstsinnige zwischen Türschlupf und Rucksack durchgezwängt. Schade eigentlich, wie gern wäre man doch mal ins Gespräch gekommen... PS