Der Mann, der nicht zu Kreuze kroch

„Daily Mirror“-Chef Piers Morgan wollte sich nicht für falsche Folterbilder entschuldigen – darum wurde er gefeuert

Das Gespräch mit dem Vorstand war kurz, dann begleiteten zwei Mitarbeiter den Daily-Mirror-Chef nach draußen. Piers Morgan (39) durfte am Freitag nicht mehr zurück ins Redaktionsgebäude, um selbst der Redaktion seine Entlassung zu verkünden. Oder, wie die britischen Blätter genüsslich protokollierten, wenigstens Jacke und Schlüssel aus seinem Büro zu holen. Alles andere wäre für den schillernden Chefredakteur wohl auch zu unspektakulär gewesen.

Morgan musste gehen, weil er eine Entschuldigung für vermutlich gefälschte Fotos verweigerte, die der Mirror am 1. Mai zur Illustration eines Berichts über die Misshandlung irakischer Gefangener auch durch britische Truppen gebracht hatte. Ein Bild zeigte, wie ein Soldat des Queen’s Lancashire Regiment auf einen Gefesselten pinkelte. Die Fotos hatte der Mirror nach eigener Darstellung von zwei Soldaten des Regiments bekommen. Sie lösten in Großbritannien einen Sturm der Entrüstung aus und setzten dem wegen seiner Kriegspolitik unter Druck stehenden Premierminister Tony Blair weiter zu. Doch nach Darstellung des britischen Armeeministers Adam Ingram sind die Fotos „garantiert nicht im Irak aufgenommen worden“. Wer die Aufnahmen gemacht hat, ist nach wie vor unklar – die britische Militärpolizei ermittelt.

Morgan hatte nach zweiwöchigem Widerstand zwar zugegeben, hereingelegt worden zu sein – eine förmliche Entschuldigung bei Lesern und britischer Armee aber abgelehnt. Sie hätte sein Überleben als Chefredakteur gerettet. Doch für Morgan zählten die – unbestrittenen – Misshandlungsvorwürfe mehr. Er fürchtete, durch eine Entschuldigung den Druck von Armee und Regierung zu nehmen.

Genau das tat denn prompt der Verlag: „Uneingeschränkt“ entschuldigt sich Trinity-Mirror am Wochenende für die Veröffentlichung der Bilder und „bedauert zutiefst den Schaden, den das Ansehen des Regiments und der Armee im Irak“ genommen habe. „Sorry, wir sind hereingelegt worden“ lautete die Schlagzeile im Mirror.

Über acht Jahre war Morgan Chef des Massenblattes und hat so viele Skandale überlebt, dass ihm andere britische Blätter die sieben Leben einer Katze nachsagten. Selbst den Vorwurf des Aktien-Insiderhandels, der bis heute bei den zuständigen Behörden anhängig ist, saß Morgan mit Unterstützung des Verlags aus.

Morgan hatte den traditionell Labour-freundlichen Mirror, der Anfang der 1990er Jahre politisch trotz seiner 2,5-Millionen-Auflage kaum eine Rolle spielte, wieder politischer gemacht. Zunächst ganz auf Seiten Blairs, trennten sich die Wege während der Debatte um den Irakkrieg endgültig: Der Mirror wurde zum Protestblatt und zog mit Veteranen des Falklandkriegs auf der Titelseite gegen Blairs Kriegskurs ins Feld.

Der meiste Applaus für Morgans Rausschmiss kam am Wochenende daher nicht ganz unerwartet – vor allem aus der Labour Party. STEFFEN GRIMBERG