„Kindliche Abenteuerlust“

Gerd Köster hat ein neues Live-Programm und bald eine neue CD. Der Kölner Musiker, der kein „Kölschrocker“ mehr sein will, spricht über seine vielen Talente, Moral und den Dialekt im Alltag

Interview Ingo Petz

taz: Herr Köster, heute Abend stellen Sie mit Frank Hocker und Helmut Krumminga in der Table-Dance-Bar des Kölner Bordells „Pascha“ Ihr neues Programm „Frisch“ vor. Warum haben Sie das „Pascha“ als Premierenort gewählt?

Gerd Köster: Wir spielen nicht da, weil es eine Table-Dance-Bar ist, sondern weil es ein toller Club ist. Wir spielen unsere Show, dann ist ne halbe Stunde Pause, und dann gibt‘s Table Dance, und wem das zu anrüchig ist, der kann dann gehen.

Eigentlich passen die „dreckelije Krätzje“, die traditionellen, dreckigen Straßenlieder, für die Sie bekannt sind, doch zu diesem etwas anrüchigen Ambiente.

Ich finde das auch ganz spannend. Aber die Menschen sind halt verschieden. Solche Dinge sind schwer vermittelbar. Zudem war vor ein paar Wochen eine Razzia im Bordell gegenüber des Pascha und da hat man wohl Illegale und Minderjährige gefunden. Und nun werde ich gefragt, warum ich solch ein Konzert im „Pascha“ gebe. Aber dann darf ich auch nicht im Knast oder Open Air spielen, weil ich so die Klimakatastrophe unterstütze. Die Moral hat viele Väter.

Warum der Name „Frisch“ für das Programm?

„Frisch“ sind wir, weil wir „Final verseucht“ (Titel des zweiten Albums, erschienen 2001; Anm. der Red.) überlebt haben. Wir sind resistent geblieben. Wir wollten damit ausdrücken, dass wir immer noch Spielfreude haben. Auf Kölsch heißt „frisch“ auch gut situiert, und so sollte der Titel auch ein ironisches Schlagwort für unsere nicht sonderlich gut situierte Zeit sein. Denn wer ist denn im Moment noch frisch?

Wovon handeln die Texte?

Um die Zumutung Mitmensch. Wir lieben die Menschen, sonst ist ja keiner da. Dazu gibt es ein episches Liebeslied auf den deutschen Riesling, das längst überfällig war. Es heißt: „Fuck Chardonnay!“

Sie sind Sänger, Schauspieler, Texter, Sie lesen Hörbücher. Ist die Zeit des Kölschrock vorbei?

Mich ärgert es immer noch, wenn ich als Kölschrocker bezeichnet werde. Ich war ja auch mal der „Kölsche Tom Waits“. Zur Einordnung ist das einerseits ganz gut, andererseits ist es ärgerlich, wenn man auf so etwas reduziert wird. Eine normale Karriere funktioniert ja so, dass man an dem Ort bleibt, an dem man Erfolg hatte, und sich dann reproduziert.

Aber Neugier scheint Ihre größte Antriebskraft zu sein.

Ich bin glücklich, dass ich viele verschiedene Sachen mache. Das ist kindliche Abenteuerlust. Was gab es als Kind Schöneres, als auf Schrottplätzen herum zu turnen – und nicht auf diesen gestylten Spielplätzen. Dort gab es was zu entdecken, da hat man sich schon mal Schrammen geholt. Aber das ist eine ursprüngliche Neugier, und die trage ich in meiner Arbeit weiter.

Würden Sie Ihren Aktionsradius gern mal erweitern und bundesweit touren?

Hätte ich nichts dagegen, aber mit Kölsch bin ich doch ziemlich festgelegt. Zu „Piano has been drinking“-Zeiten Anfang der Neunziger gab es ja mal einen regelrechten Kölsch-Boom. Aber das hat sich ziemlich gedreht. Ja, wenn du Kölsch singst, giltst du in Hannover oder Berlin automatisch als Karnevals- oder Gutmenschpappnase. Leider arbeiten viele Kollegen intensiv und erfolgreich an diesem Image.

Sprechen Sie im Alltag Kölsch?

Mit Frank Hocker vielleicht, sonst kaum. Meine Söhne verstehen es zwar noch, aber sie reden keins mehr. Das lernst du ja auch nicht zu Hause. Das musst du schon die ganze Zeit sprechen.

Im Juni stellen Sie in der Philharmonie Ihre neue CD vor: „Nox. Lieder zur Nacht“. Wie kam es zum Projekt „Nox“?

Dirk Raulf, der bei der Kölner Saxofon-Mafia war, und ich haben mal einen Song für einen Film gemacht, und das hat so gut funktioniert, dass wir dann peu à peu einen Abend entwickelt haben, in dem es vor allem um Mond, Nacht, Schlaf – um Chansons über die Nacht geht.

Singen Sie Kölsch?

Nein, richtig Hochdeutsch. Ein Song ist in Kanakendeutsch nach einem karibischen Traditional, das Robert Mitchum mal gesungen hat. Das war ganz gut, wieder mal was Hochdeutsches zu machen nach dem „Höhner-Jubiläum“ in der Kölnarena. Da waren wir als Gäste, und für mich war das eine Überdosis Frohsinn.

Sie werden zusammen mit Meret Becker singen.

Ja, aber ich kannte die überhaupt nicht. „Ars Vitalis“ kennen die, weil die in der Berliner „Bar der Vernunft“ mit Meret zusammen arbeiten. Ich freue mich drauf.

„Frisch“: 21. Mai (Premiere) bis 23. Mai und 26.-29. Mai, jeweils 19.30 Uhr. Pascha, Hornstr. 2, Tel 0221/17 90 61 00 „Nox. Lieder zur Nacht“: 22. Juni, 20 Uhr, mit Ars Vitalis, Meret Becker und Lydie Auvray. Philharmonie Köln, Tel 0221/28 01 CD „Nox. Lieder zur Nacht“, poise 12