Kreuzfahrers Rückkehr

Ein erholter Harald Schmidt macht Pause von der Kreativpause: Als „Ein-Mann-Biennale“ gastierteer am Donnerstag mit seinem Kabarettprogramm „Miami–Singapur“ im Kölner Museum Ludwig

AUS KÖLN MARTIN WEBER

Es wurde auch langsam Zeit. Um nicht zu sagen: Es war allerhöchste Eisenbahn, dass der Mann mal wieder in eigener Sache in Aktion trat – und nicht nur als Werbeträger für Arzneimittel und die Deutsche Bahn. Es hätte nicht viel gefehlt, und es wäre nur noch von dem „Gesicht aus der Nescafé-Werbung“ die Rede gewesen.

Doch wenn die Nacht am tiefsten, ist der Tag am nächsten – und alles ward gut. Harald Schmidt ist wieder da, und er wurde vom Auditorium – ein Drittel Schmidt-Show-Kundschaft, ein Drittel gesetzte Museumsgänger, ein Drittel Leute, die in erster Linie vor Ort sind, um später da gewesen zu sein – erwartet wie das Erscheinen des Messias, der sich mit seiner „Kreativpause“ selbst ans Kreuz genagelt hatte, um nun, nach fünf Monaten, doch wieder herabzusteigen, ins Foyer des Kölner Museum Ludwig.

Dahin hatte er für einen einmaligen Auftritt seine Show verlegt, 800 Menschen hatten Karten ergattert, uns sie sahen einen Schmidt, der ähnlich wirkte wie nach seiner zweiwöchigen Auszeit nach dem 11. September: Er hatte sich selbst wieder von der Leine gelassen und damit wohl vor allem sich selbst einen Gefallen getan.

Sonnengebräunt er, die grau melierten Haare sind dandyhaft lang, und für den Betrachter wirkt das, als seien fürs Erste alle Urlaube gemacht und alle Bücher gelesen. Und so ist es wohl auch: Er habe eine Kreuzfahrt gemacht, sei in Miami und Singapur gewesen, parliert Schmidt, und da sei ihm der Titel für diese Veranstaltung eingefallen. „Miami–Singapur, das klingt präpotent, flott, flippig, schwul, und ist außerdem ein Hexameter. Ich hab’s selbst an den Fingerknöcheln abgezählt.“

Hölzchen auf Stöckchen

Das ist sie wieder, diese Klappentextbildung, die Schmidt sich gern selbst attestiert, mit deren Hilfe er in den vergangenen Jahren seine Show bestritt und die er auch diesmal nutzte, um seine satirischen Runden zu drehen. Eine Stunde lang, immer vom Hölzchen aufs Stöckchen.

In hohem Maße erbaulich ist es natürlich trotzdem, wie Schmidt sich da in freiem Vortrag, ganz ohne Pappen mit vorgefertigten Witzen, in Rage redet. Wer gesehen hat, wie kläglich Anke Engelke, Sat.1-Sendeplatz-Substitut für den Meister, in ihrer ersten Sendewoche an eben dieser Form der Alleinunterhaltung gescheitert ist, weiß spätestens jetzt: Harald Schmidt kann es einfach besser – erfüllt aber wohl nicht alle der ins Museum Ludwig mitgebrachten Erwartungen.

Womöglich haben einige Zuschauer gedacht, dass er den Teilzeit-Museumsführer gibt und ein paar der Exponate erklärt – und verlassen deshalb verfrüht die Veranstaltung. Oder aber sie können Schmidts intellektueller Achterbahnfahrt nicht folgen – Zynismus, Sarkasmus und Ironie sind ja nicht jedermanns Sache. Vorstellbar auch, dass dem ein oder anderen Ureinwohner aufstößt, wie er die „Ich-Besoffenheit“ der Kölner aufs Korn nimmt und seiner Wahlheimat bescheinigt, „das Leipzig unter den Kulturhauptstädten“ zu sein.

So richtig in Fahrt aber kommt Schmidt erst, als er sich Berlin vorknöpft – „Der Potsdamer Platz sieht aus, als seien die Ceauçescus kurz vor ihrer Erschießung noch einmal zu Geld gekommen“ – und sich dann einem Thema widmet, das am Rande auch mit dem Ort der Veranstaltung zu tun hat: der Macht der Bilder. Dass Schmidt damit etwas anderes meint, ist klar. „Bei den Folterfotos aus dem Irak weiß man ja gar nicht: Ist es jetzt Benetton oder die neue Reklame von Joop – oder doch echt? Und achten Sie mal drauf, was Paul Bremer bei den Pressekonferenzen im Irak trägt. Der Anzug obenrum sagt: Ist alles in Ordnung hier, noch zwei Schilder für die Parkplätze, und wir können euch das Land wieder überlassen. Die Wüstenstiefel an den Füßen aber bedeuten: Das kann noch heikel werden hier.“ Betretenes Schweigen im Publikum, erst nach langen Sekunden die Erkenntnis: Auch darüber kann man lachen. Muss man sogar.

„Optimismus ist nur ein Mangel an Information“, sagt Schmidt, Heiner Müller zitierend, und schließt seine Beobachtungen des alltäglichen Wahnsinns, mit denen er angeblich „junge Leute ins Museum locken wollte“, mit Goethe: „Nur wer sich ändert, bleibt.“

Die Kabaretttournee, die Schmidt im Sommer mit „Überraschungsgast“ Manuel Andrack starten wird, ist leider schon ausverkauft, bei E-Bay kann man Tickets nur noch für einen dreistelligen Eurobetrag ersteigern. Was die Erkenntnis nahe legt: Wer sich aus „Mangel an Information“ nicht rechtzeitig welche sichern konnte, zahlt drauf.