Marlowe in der Karibik

Leonardo Padura liest in der Osterstraße aus den ersten beiden Teilen seiner Krimi-Tetralogie „Havanna-Quartett“. Und zeichnet ein eindrucksvolles, nicht-folkloristisches Psychogramm des postrevolutionären Kuba

Auf den ersten Blick ist Polizeileutnant Mario Conde eine perfekte Kopie der Figur des melancholischen Detektivs. Seine Attribute: Neigung zu exzessiven Saufgelagen, unglückliche Lieben und sentimentale Männerfreundschaften. Trübe, von Alpträumen durchgeisterte Nächte, Selbstzweifel und die Sehnsucht, einen „untergründigen“ Roman zu schreiben.

Doch Leonardo Padura, neben Daniel Chavarría der herausragendste Vertreter des neuen kubanischen Kriminalromans, unternimmt in seinen Büchern alles andere als einen auf die Insel importierten Aufguss des Genres. Die vier Bände der Tetralogie Havanna-Quartett, deren erste zwei er jetzt vorstellt und die 1989 spielen, enthalten einen Subtext, der interessanter ist als der jeweilige Kriminalfall.

Der Krimi wird bei Padura zum Medium einer subtilen Gesellschaftskritik, die auf die Alltagsverhältnisse des postrevolutionären Kubas zielt und seismographisch die Erschütterungen des gesellschaftlichen Erdbebens registriert, das die 90er Jahre prägte. In den Blick geraten die Nomenklatura, die Manager und Funktionäre, Musterkarrieren von Krisengewinnlern, die sich einen Luxus leisten, von denen der gewöhnliche Kubaner abgeschnitten ist. Eine Welt von Korruption, Verrat und Geldgier. Und die Frustration eines Polizisten, der allzu oft nur die „Falschen“ erwischt.

Havanna-Quartett ist aber auch das Psychogramm einer Zwischengeneration, jener Altersklasse, die das Ancien Régime und seinen Sturz nicht mehr bewusst erlebte, aber auch nicht so jung ist, dass sie in der „Spezialperiode“ alle Hoffnungen hätte fahren lassen. Die sich 1968 die Haare lang wachsen ließ und die Beatles hörte.

Aber anders als für die internationale Protestkultur markiert jenes Jahr hier nicht die Erfahrung einer Rebellion, sondern die einer Reglementierung. Später der Frustration und fortschreitenden Desillusionierung. Geprägt von der Angst, in der Routine unterzugehen, dass die Träume verblassen und das eigene Leben entgleitet.

Paduras Romane zeichnen ein melancholisches, liebevolles Porträt Havannas. Der Autor nimmt den Leser mit auf seine Streifzüge durch eine Stadt, deren Pulsschlag jenseits folkloristischer Bilder oder revolutionärer Idealisierungen fühlbar wird.

Theo Bruns

Leonardo Padura stellt die ersten beiden Bände, „Ein perfektes Leben“ und „Handel der Gefühle“ (beide Unionsverlag Zürich), am 26.5. um 20 Uhr im Buchladen in der Osterstraße vor