der kriminelle kneipenraucher und das gefangene auto von RALF SOTSCHECK
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Eigentlich hätte Daniel nicht mehr Auto fahren dürfen. Als er mit brennender Kippe in die Kneipe kommt, ist er nämlich bereits angetrunken. Deshalb hat er vergessen, dass in irischen Pubs seit Ende März Rauchverbot herrscht. Erst nach einer ganzen Weile bemerkt er überrascht, dass er der Einzige ist, der raucht. Dann stellt er freudig fest, dass sich offenbar niemand daran stört. So zündet er sogleich eine neue Zigarette an, kaum dass er die erste auf dem Boden ausgedrückt hat.

Der Wirt, der ihm sein Guinness bringt, schaut zunächst ungläubig auf das verbotene Stäbchen, hält es dann aber für die Falle einer lustigen Fernsehsendung mit versteckter Kamera, lächelt kurz und tut so, als ob er nichts merkt. Am Nachbartisch hustet eine ältere Dame demonstrativ. Als Daniel, der schon fest damit rechnete, dass ihm Irlands Raucher aus Dankbarkeit eine Marmorstatue stiften würden, sich die dritte Zigarette anzündet, wird es der Dame zu bunt. Sie schnauzt Daniel an, er solle seine Kippe ausmachen, und zwar plötzlich, sonst werde sie die Tabakpolizei informieren. Der Wirt, der seinen Glauben an die versteckte Kamera inzwischen verloren hat, will das verhindern, weil ihm sonst eine saftige Strafe droht. So tunkt er die Zigarette kurzerhand ins Guinness. Daniel, dessen Kippe und Getränk nun ruiniert sind, bekommt einen Wutanfall, was den Wirt dazu veranlasst, ihn aus dem Pub zu verweisen.

Ich überrede Daniel, das Auto stehen zu lassen und bei mir zu übernachten. Es sei ja nur eine Viertelstunde zu Fuß. Daniel willigt ein und lässt sich von mir am nächsten Morgen um acht Uhr wecken, weil er einen wichtigen Termin hat. Als er eine Stunde später an der Kneipe ankommt, stellt er zu seinem Entsetzen fest, dass der Parkplatz mit einer Kette abgesperrt ist. Sein Auto ist gefangen. Der Pub macht erst um zwölf Uhr mittags auf. Seinen Termin kann Daniel jetzt abschreiben.

Er kauft sich stattdessen eine Zeitung und macht es sich im Auto gemütlich, als jemand heftig an die Scheibe klopft: Die ältere Dame, die er in der Kneipe beschimpft hat, war auf dem Weg zum Supermarkt und hat ihn wiedererkannt. Daniel kurbelt die Scheibe herunter, worauf die Dame schon wieder einen Hustenanfall bekommt, weil das Auto voll gequalmt ist. Daniel setzt seine Serie von Verwünschungen vom Vorabend nahtlos fort, bis zufällig ein Polizist vorbeikommt. Die Dame ruft ihn herüber und denunziert den zeternden Raucher, der über eine selbst für einen Iren verblüffende Bandbreite von Flüchen verfügt.

Ob er wirklich im Pub geraucht habe, will der Beamte wissen. Er könne sich an nichts mehr erinnern, lügt Daniel. Deshalb habe er ja sein Auto stehen lassen und sei zu Fuß gegangen. Das sei sehr lobenswert, findet der Polizist und lässt ihn zur Enttäuschung der noch immer hustenden Dame, die ihm eine Haftstrafe in einer Nichtraucherzelle gewünscht hatte, mit einer Verwarnung davonkommen.

Um zwölf kommt endlich der Gastwirt und fragt Daniel, warum er in seinem Auto übernachtet habe? Daniel erzählt ihm die Geschichte. Das hätte er sich sparen können, meint der Wirt und nimmt die Kette vom Haken. Sie war nicht abgeschlossen.