Die „Welt“ ist klein

Seit gestern neu: „Welt Kompakt“. Das kleine Blatt ist ansprechender als die „Welt“ und bietet fast genauso viel

Wenn der Zeitungsbranche da mal nicht die Muffe geht. Seit gestern gibt es Welt Kompakt in Berlin – nicht wie ursprünglich angekündigt im Großraum Düsseldorf. Und der zunächst achtwöchige Testlauf wurde nicht eben von dezenten Werbemaßnahmen begleitet: Junge Männer mit Schiebermütze und Knickerbockern kündeten durch „Flüstertüten“ von Welt Kompakt. Außerdem fuhren kleine Smart-Coupés mit der Aufschrift „Endlich: Zeitung to go“ durch die Stadt. Und tatsächlich, U-Bahnen und Straßenbahnen waren voll mit Welt Kompakt-Lesern – war ja auch gratis. Ab morgen wird die kleine Welt aber 50 Cent kosten.

Praktisch ist das Blättchen – es ist etwas kleiner als die taz – und laut Editorial des multiplen Chefredakteurs Jan-Eric Peters (Welt, Berliner Morgenpost, Welt Kompakt), „ideal für mobile, aktive Menschen“. Springer legt großen Wert darauf, dass es sich bei Welt Kompakt nicht um eine Welt im Kleinformat handele, sondern im Gegensatz zu den britischen Vorbildern Independent oder Times um „eine eigenständige Zeitung mit eigenständigem Konzept“, wie Peters sagt.

Tatsächlich gleicht die erste Ausgabe inhaltlich weitgehend Welt und Morgenpost – kein Wunder, alle werden von derselben Redaktion bestückt. Einige Texte sind etwas kürzer oder stehen woanders. Ein Porträt der „neuen First Lady“ findet sich in der kleinen Ausgabe auf der Meinungsseite, während es in der Welt auf Seite 2 steht. Und zuweilen ist die Wortwahl etwas deutlicher. Heißt es zu Horst Köhler, dass die Präsidentschaft des CDSUFDP-Kandidaten es „Rot-Grün nicht eben leichter“ mache, schwurbelt die große Welt, dass er „denen, die regieren, das Leben nicht leichter“ macht. Ansonsten ist die durchgehend bunte Welt Kompakt das ansprechendere Blatt und wird zuweilen auch aktueller sein, Redaktionsschluss ist erst um 0.00 Uhr. Wer aber bislang Süddeutsche oder Frankfurter Rundschau liest, wird deshalb wohl nicht auf Welt Kompakt umsteigen. Welt-Leser vielleicht schon.

In Großbritannien erscheint der Independent übrigens nur noch im Kleinformat, weil zwei Versionen zu teuer wurden. Die Welt ist bekanntlich seit jeher defizitär. Das Problem wird Welt Kompakt zum Preis von 50 Cent auch nicht lösen – aber Preise kann man erhöhen. Warum also wirbt der neue Präsident des Ideen-Lands Deutschland ausgerechnet für die alte, große Welt um Abonnenten (Ausriss)? Ein Auslaufmodell zum Amtsantritt? Keine gute Idee. HEIKO DILK