Hungern und in Ketten, um den Job zu retten

Bahnarbeiter riskieren ihre Gesundheit, um das Ausbesserungswerk Opladen zu retten. Konzept zur Privatisierung

KÖLN taz ■ „Ich halte durch, bis der Notarzt kommt oder ein positiver Entscheid aus Berlin.“ Jürgen Pommer klingt entschlossen, für kämpferisches Pathos fehlt ihm die Kraft. Vor 13 Tagen trat der 43-Jährige in den Hungerstreik. 24 Kollegen hatten sich ihm angeschlossen, zwei gaben inzwischen auf Anraten der Ärzte auf. Ihr Ziel: der Erhalt des Bahnausbesserungswerkes Opladen bei Leverkusen. Es geht um rund 500 Jobs – „und den Standort“, betont Pommer.

Solidarisch an den Füßen zusammengekettet sitzen sie in zwei Zelten vor dem Werkstor. Dicke Anoraks schützen sie vor der derzeitigen Kälte. Einige schlafen, andere sehen mit müden, grauen Gesichtern fern. Unterhalten wird sich kaum noch, auch Lesen fällt schwer. „Die Konzentration lässt nach“, beschreibt Udo Dietrich, 49, seine Lage. Besonders schlimm sei es, wenn ihn die Familie besucht. „Sie finden es gut, dass ich für unsere Arbeitsplätze kämpfe, aber sie machen sich auch Sorgen um mich.“ Ein Sanitäter steht rund um die Uhr bereit.

Die Hungerstreiker sehen sich als Opfer einer „fragwürdigen“ Unternehmenspolitik der Deutschen Bahn AG (DB). Die setzte 8 von 18 Ausbesserungswerken auf die Streichliste. 2 davon sind schon dicht, die anderen wurden lediglich verkleinert. Das Werk Delitzsch in Sachsen erklärte Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) zur Chefsache, in Nürnberg gelang nach der Intervention der bayerischen Regierung der Verkauf an Siemens. „Lediglich Opladen wird geschlossen“, stellt Detlef Dreschmann, Bevollmächtigter der Gewerkschaft transnet, bitter fest.

Die Streikenden haben auf ihre Weise auf die Verlagerungspolitik der Bahn reagiert: „Im Osten geht die Sonne auf, in Opladen geht sie unter“, steht auf einem Transparent an einem Zelt. Dabei hätte das Werk beste Voraussetzungen, auch in Zukunft zu bestehen. „Wir haben ein stimmiges Privatisierungskonzept vorgelegt“, sagt Dreschmann. Ein Investor stehe bereit, das Land habe eine Bürgschaft zugesagt, zwei Banken seien dabei, und die Stadt Leverkusen habe sich bereit erklärt, einen Teil zu Geländes zu kaufen. Von den 46 Privatbahnen allein in Nordrhein-Westfalen sei schon Interesse angemeldet worden. Als „Anschubfinanzierung“ von der DB erhoffte man sich 2 Prozent von deren gesamtem Auftragsvolumen. Dreschmann ärgert besonders, dass sich der Bund als Eigentümer nicht einschalte.

Die Deutsche Bahn allerdings bestreitet die im Privatisierungskonzept festgestellte Nachfrage und beharrt auf ihrer Schließungsabsicht. Für Dreschmann ist klar: „Als Monopolist fürchtet sie eine flexible Konkurrenz, sie will das Geschäft weiter allein machen.“ Und er rechnet vor: „Welchen Sinn macht es, hier alle Leute auf die Straße zu setzen, um anderswo 180 Jobs zu retten, wie die Bahn behauptet?“ Deshalb hält er auch das DB-Angebot für Ersatzarbeitsplätze für „Augenwischerei“. Inzwischen mahnt die Bahn AG die Hungerstreikenden „zur Vernunft“. Der Schlosser Dietrich, seit 30 Jahren bei der Bahn beschäftigt, fragt: „Was ist vernünftiger, als für seinen Arbeitsplatz zu kämpfen?“

ERICH HUPPERTZ