Anwalt verpfeift Friedman – versehentlich

Die Staatsanwaltschaft strebt laut einem Fax, das irrtümlich an die Öffentlichkeit gelangte, einen Strafbefehl an

BERLIN taz ■ Es war der vorerst schwärzeste Tag in einer Reihe dunkler Tage für Eckard Hild, von seinem Mandanten ganz zu schweigen. Der Anwalt von Michel Friedman hatte sich mehrfach bei der Berliner Staatsanwaltschaft darüber beklagt, dass Ermittlungsergebnisse über die vermuteten Kontakte seines Mandanten zu Prostituierten und seinen angeblichen Kokainkonsum an die Öffentlichkeit gelangt waren.

Gestern musste sein Büro bestätigen, dass ausgerechnet von dort ein Fax mit der Zusammenfassung sämtlicher Ermittlungsergebnisse gegen Michel Friedman an eine Pizzeria gefaxt wurde – aus Versehen. Der Pizzabäcker wiederum gab es an die Bild-Zeitung weiter, die genüsslich daraus zitierte.

Aus der Zusammenfassung geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nicht fallen lassen will, sondern im Gegenteil einen Strafbefehl anstrebt. Laut der Aussage einer der drei ukrainischen Prostituierten habe bei mehreren Treffen mit Friedman im Hotel Interconti eine Schale mit etwa zwei bis vier Gramm Kokain neben dem Bett gestanden. Bei einem Reinheitsgrad von 40 Prozent entspräche dies 0,8 bis 1,6 Gramm reinem Kokain – auf jeden Fall mehr als die Menge, die man straffrei besitzen darf: Das sind 0,3 Gramm.

Die Staatsanwältin geht davon aus, dass die Frauen glaubwürdig sind. Als Zeuginnen in einem Menschenhandelsprozess hätten sie ohnehin ein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Dies könne also nicht das Motiv dafür sein, dass eine von ihnen sich bei der Polizei meldete. Die Frau habe sich „unaufgefordert“ an die Polizei gewandt und ausgesagt, sie habe einen ihrer Kunden im Fernsehen erkannt. Beiläufig habe sie den Kokainkonsum Friedmans erwähnt.

Der Schriftsteller Rafael Seligmann fordert als erster prominenter Jude den Rücktritt Friedmans als Vizevorsitzenden des Zentralrats der Juden. „Michel Friedman hat durch sein Verhalten unterstrichen, dass es ihm an Ernsthaftigkeit und Reife für diese Aufgabe mangelt“, schreibt Seligmann im Stern. „Er sollte daher sein Ehrenamt zurückgeben, zumindest bis zur Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe ruhen lassen.“ Friedman sei „nicht Hauptmann Dreyfus, der einer antisemitischen Intrige zum Opfer fiel, sondern ein Jongleur der Moral, der mit seinem Sturz rechnen musste“. Er habe sich „als jüdisches Gewissen der deutschen Nation“ gebärdet und eine Moral eingefordert, „der niemand gerecht werden konnte“. Er habe den „jüdischen Robespierre“ gespielt, „die Verkörperung der Tugendhaftigkeit – und deren Fallbeil“. Er dürfe sich nicht wundern, „dass die anderen auf seinen Sturz hofften“.

Unklar ist, ob bei der Menschenhandelsaffäre weitere prominente Zeugen bekannt werden. Entgegen verschiedenen Dementis der Berliner Justiz hält sich das Gerücht, eine „autobahnbreite Spur“ (Frankfurter Rundschau) führe von den Prostituierten in den Bundestag. Der Umgang mit eingeschleusten Prostituierten ist nicht strafbar, wäre aber ein Skandal. Nur wenn Kokain im Spiel ist, könnte auch gegen andere Politiker ermittelt werden. HEIDE OESTREICH