Rücktritt Rückschritt

Mitarbeiter der Drogenhilfe-Einrichtung Fixstern protestieren gegen Schließung. Eine Kampagne soll das Problem in die Öffentlichkeit tragen

von HANNING VOIGTS

Große Pappkartons und Fußmatten mit giftgrüner Aufschrift blockieren den Fußweg vor dem Haus am Schulterblatt. „Wenn der Fixstern auf der Straße sitzt, sitzen die User hier“ steht auf den Kartons sowie auf Aufklebern und Flugblättern, die an vorübergehende Passanten verteilt werden. „Fixstern bleibt“ steht trotzig auf Plakaten.

Die Belegschaft der Fixerstube mit Café, die vom Hamburger Verein „Freiraum“ unterhalten wird, protestiert seit gestern mit einer Kampagne für den Erhalt ihrer Einrichtung, die seit 1995 zum Stadtbild des Schanzenviertels gehört. Vor der Tür wurden Unterschriften gegen die geplante Schließung gesammelt.

Die Schließung des Fixstern ist schon lange beschlossene Sache. Die Kündigung, die Gesundheitssenator Peter Rehaag (Schill-Partei) den Betreibern jetzt schickte, ist in der Politik umstritten. So hatte sich die FDP mehrfach für eine Verlegung und gegen die von der Schill-Partei geforderte ersatzlose Streichung des Angebots ausgesprochen (taz berichtete mehrfach). Auch die Opposition von SPD und GAL hat sich wiederholt für einen Erhalt des Fixstern ausgesprochen. Die GAL erkennt in dem Vorgehen Rehaags sogar einen klaren Koalitionsbruch und wünscht der FDP in einer Presseerklärung Erfolg bei der Umsetzung ihrer Forderungen.

Für Norbert Dworsky, Geschäftsführer des Vereins, ist ein Druckraum im Schanzenviertel unentbehrlich. Innerhalb eines Jahres würden im Fixstern 200.000 gebrauchte Spritzen entsorgt und dafür neue ausgegeben, 35.000 Mal würde Heroin unter hygienischen Umständen konsumiert, 5.000 Mal würde medizinische Hilfe geleistet. „Unsere Einrichtung wird gebraucht“, sagt Dworsky, „73 Prozent unserer Betreuten wohnen und leben im Schanzenviertel, diese Leute stehen dann ohne Betreuung da.“ Es sei auch im Interesse der nicht drogenabhängigen Bewohner, dass die Szene sich am Fixstern konzentriere: „Sonst werden sich die Konsumenten ihren Druck wieder auf der Straße machen und die gebrauchten Spritzen in Parks und auf Spielplätze werfen.“

Rehaags Vorwurf, die Existenz einer Fixerstube festige den Drogenkonsum, tut Dworsky als absurd ab: „Die Fixer kommen nicht hierher, weil es hier so schön gemütlich ist.“ Auch ein vermehrter Einsatz von Straßen-Sozialarbeitern, wie er von Mitgliedern des Senats favorisiert wird, sei reine Augenwischerei: „Die Streetworker müssen ja einen Ort haben, an den sie die Betroffenen vermitteln können.“

Mit einer neuen Kampagne wendet sich Freiraum nun an die Öffentlichkeit. Die Pappkartons und Fußmatten sollen in Zukunft überall in Hamburg dafür sorgen, dass das Problem wahrgenommen wird. „In einem unserer Fenster soll eine Diashow Eindrücke von unserer Arbeit vermitteln“, berichtet Dworsky, „wir könnten uns sogar vorstellen, Material in den U- und S-Bahnen aufzustellen.“

Im Anschluss zogen etwa 50 Personen zum brachliegenden Platz Ecke Max-Brauer-Allee / Schulterblatt, der schon mehrfach als mögliche Ausweichfläche für den Fixstern genannt wurde (taz berichtete). Die Demonstranten liefen rückwärts und hielten ein Plakat in die Höhe: „Lieber Rücktritt des Senats als Rückschritt in der Drogenpolitik.“