Von Viertel zu Viertel

Vor vier Jahren gründete sich die kleine Intitiative „Das Viertel hilft“, um den Erdbebenopfern in der Türkei zu helfen. Jetzt ist das aus Spenden finanzierte Gemeinde- und Kulturhaus fertiggestellt.

taz ■ „Wunder über Wunder“, sagt Robert Bücking, Ortsamtsleiter im Viertel, und freut sich noch jetzt über das Klingeln eines Telefons: Durch dieses Telefon nämlich kam vor einigen Wochen nach vier langen Jahren endlich die gute Nachricht aus dem Erdbebengebiet Izmit in der Türkei – das mit rund 63.000 Euro unterstützte Projekt „Häuser für ein neues Leben“ sei jetzt fertig. Albert Timmer und Ahmet Güler von der Bremer Initiative „Das Viertel hilft“, waren bei der Eröffnung dabei. „Wir sind über die Fertigstellung glücklich“, sagte Timmer gestern bei der Präsentation des Projekts.

Rückblende: Am 17. August 1999 erschüttert ein schweres Erdbeben die Türkei. Besonders in der Industriestadt Izmit, etwa 100 Kilometer südöstlich von Istanbul, sind die Folgen verhehrend: etwa 40.000 Tote, unzählige Verletzte, zerfallene Häuser, verstörte Menschen. Auch die türkische Gemeinschaft in Bremen ist tief erschüttert und der Wunsch zu helfen ist stark. So entsteht die Initiative „Das Viertel hilft“. Geld sammeln ist einfach. Doch weitaus schwieriger gestaltet sich die Frage nach einer sinnvollen Verwendung der Spendengelder. Eine kleine Delegation beschließt, in das Krisengebiet zu fahren.

„Was wir sahen, zog uns die Schuhe aus“, erinnert sich Bücking, „aber wir fanden Kontakt zu einer Gruppe junger Leute“. Diese politisch eher linksgerichtete Freiwilligeninitiative hatte sich bereits für die Wasser-, Nahrungsmittel- und medizinische Versorgung der Menschen eingesetzt. Bücking: „Das waren genau die richtigen Leute. Sozusagen direkt von Stadtteil zu Stadtteil.“

Zurück in Bremen wurde für „das Geld geackert“. Der Grundstein für das Gemeindezentrum im Stadteil Bekirpasa konnte bereits im Februar 2000 gelegt werden. „Wir gingen davon aus, dass das Projekt innerhalb eines halben Jahres realisiert ist“, sagt Timmer. Doch nach Fertigstellung des Rohbaus ließen die Rückmeldungen aus Izmit nach. Auf Nachfragen kamen keine zufriedenstellenden Antworten. Erst später wurde klar, dass politische und wirtschaftliche Umwälzungen wie Inflation und Wahlen das Projekt stagnieren ließen. Nun sind alle erleichtert über die wenn auch verspätete Vollendung. „Das Geld ist gut angelegt und das Projekt in die soziale Realität seines Umfelds hineingewachsen“, sagt Timmer.

Die acht kleinen Holzhäuser, die in einer Art Grünanlage aufgebaut sind, wirken wie eine kleine Oase inmitten der Betonwüste des fast nur von der Unterschicht bewohnten Stadtteils Bekirpasa. Die Straßen hier sind unfertig und die Versorgung funktioniert nicht richtig. Die „Häuser für ein neues Leben“ eröffnen den Menschen kulturelle Möglichkeiten und Chancen der Weiterbildung. So ist in einem der Häuser ein Computerraum untergebracht. In einem anderen finden Kurse über Hygiene und Gesundheit statt und ein kleines Amphitheater bietet die richtige Kulisse für Veranstaltungen.Verwaltet wird das Projekt gemeinsam von der Freiwilligen-Initiative „Halkevi“ (deutsch: Volkshaus), der Stadtteilverwaltung und dem Stadtparlament. Auch Bückings türkischer Kollege, der Bürgermeister dieses Viertels, hat sein Büro in eines der kleinen Gemeinschaftshäuschen verlegt. „Bei der Einweihung versicherte er“, erzählt Timmer, „dass dieses Projekt niemandem gehören soll, außer den Menschen des Viertels, die dort leben.“

Ingrid Seitz