„Die Markthalle ist mein Leben“

Schwatz mit der Herrin der „haase Worscht“

taz: Frau Schreiber, seit 25 Jahren verkaufen Sie in Ihrem Stand in der Kleinmarkthalle heiße Fleischwurst, Rindswurst, Gelbwurst und Krakauer. Wo kommt Ihre Wurst eigentlich her?

Ilse Schreiber: Die Wurst kommt aus unserer eigenen Traditionsmetzgerei, die vor 107 Jahren in der Falkstraße gegründet wurde. Aus gesundheitlichen Gründen musste mein Mann das Ladengeschäft 1979 schließen. Seitdem produzieren wir unsere Wurst aus bestem Fleisch aus der Region nur noch für den Stand in der Kleinmarkthalle – nach alten Rezepten.

Was ist aktuell der Renner am Stand? Die Gelbwurst im Naturdarm? Oder die fettige Krakauer?

Das ist wirklich merkwürdig, weil doch alle von der schlanken Linie reden. Aber die Krakauer geht am besten. Das ändert sich aber laufend.

Als ich vor ein paar Jahren Fleischwurst mit Knoblauch gemacht habe, stürzten sich alle drauf. Jetzt gibt es nur noch ein paar Stammkunden, die diese duftende Spezialität immer noch haben wollen. Die kenne ich alle. Da greife ich [mit bloßen krebsroten Händen – die Red.] schon ins heiße Wasser und hole die Wurst raus, wenn die den Gang entlangkommen.

Und die Türken, die wollen alle Rindswurst. Bei Ihnen weiß ich doch auch längst Bescheid: Portion Gelbwurst.

Genau. Da hab ich jetzt wieder Lust drauf. Aber sagen Sie mir vorher noch, was die Kleinmarkthalle für Sie bedeutet nach 25 Jahren hinterm Tresen?

Die Kleinmarkthalle? Das ist mein Leben. Hier bin ich zwölf Stunden am Tag. Ich liebe die Kollegen hier, das tägliche „Schwätzchen“. Und ich liebe meine Stammkundschaft. Einige kommen schon seit 25 Jahren. Und wenn ich sehe, wie die dann – auch die japanischen Touristen oder die Amerikaner – alle herzhaft in meine Wurscht beißen und dabei ein bisschen glücklicher als vorher aussehen, da bin ich zufrieden. So einfach ist das.

Hier ist Ihre Gelbwurst mit Senf und einem halben Brot. Macht Einseinundsechzig. Die Haut hab ich abgezogen. Guten Appetit!

Danke. Eine letzte Frage noch, Frau Schreiber. Haben Sie auch schon einmal ans Aufhören gedacht? Sie sind ja schließlich schon fast im Rentenalter.

Aufhören? Das Wort kenn ich nicht. Man wird mich wohl hier eines Tages mit den Füßen zuerst raustragen …

INTERVIEW: KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT