Kölner Markt vor dem Infarkt

Eine politische Entscheidung über den künftigen Standort des zu klein gewordenen Großmarkts im Kölner Süden ist überfällig. Experten befürchten sonst die Abwanderung ansässiger Unternehmen

von Stefanie Liebl

Seit über 60 Jahren werden auf dem Kölner Großmarkt täglich tonnenweise Obst und Gemüse verkauft. Inzwischen platzt das Gelände an der Bonner Straße in Raderberg jedoch aus allen Nähten, meinen die Standortexperten der Industrie- und Handelskammer (IHK). Denn obwohl der Kölner Großmarkt zu den erfolgreichsten Umschlagplätzen in Deutschland gehöre, entspreche er schon längst nicht mehr den Ansprüchen eines modernen, zentralen Marktplatzes. „Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass keine Ausbaumöglichkeiten für die ansässigen Firmen auf dem Gelände bestehen“, sagt Clemens Lueg von der IHK Köln.

Die Standortfrage ist keineswegs neu. Seit mehr als zehn Jahren diskutieren Politik, Verwaltung und die in Köln ansässigen Firmen über mögliche Alternativen für das Händlerterrain. Eine Lösung gibt es bis heute nicht. Eine politische Grundsatzentscheidung ist indes mehr als überfällig, sind sich Geschäftsleute und Logistikexperten einig, damit eine Wachstumsbranche in ihrer Entwicklung nicht länger behindert werde. Standortprüfer befürchten eine Zersplitterung der traditionellen Großmarktstruktur und ein mögliches Abwandern von ansässigen Firmen aus dem Kölner Raum, wenn nicht bald eine Entscheidung über Alternativstandorte gefällt und den Händlern Planungssicherheit in Aussicht gestellt wird.

Abwanderungsgedanken

Nicht anders sehen es die Geschäftsleute der verschiedenen Großmarktbranchen. „Die logistische Anbindung ist im Laufe der Jahre immer schlechter geworden. Die Stadt ist in den letzten Jahrzehnten immer weiter um uns herum gewachsen, und wir haben einfach die Problematik, dass wir jetzt mehr und mehr, natürlich auch von Seiten des Gesetzgebers und im Hinblick auf die Belästigung der Bevölkerung, in Probleme geraten“, meint Klaus Valentini, Geschäftsführer der Rosenbaum Fruchtimport und Logistik GmbH und Vorsitzender der Interessengemeinschaft (IG) Großmarkt. „Wir müssen verhindern, dass Unternehmen, wie es in der Vergangenheit passiert ist, irgendwann die Entscheidung treffen, das Gelände zu verlassen. Wir haben ja keinen Platz mehr für diese Leute“, so Valentini.

Die Stadt hüllt sich nach wie vor in Schweigen, obwohl nach einem Expertengespräch im Januar hinter verschlossenen Türen wohl wieder heftig über die Standortfrage diskutiert wird. So finde im Augenblick eine „Bedarfsprüfung“ und „Auslotung“ der einzelnen Ansiedlungsmöglichkeiten statt, sagt Werner Stüttem vom Dezernat für Stadtentwicklungsplanung. Mehr möchte er nicht verraten. Ziel sei es, das Thema Großmarkt noch vor dem Sommer in den Stadtentwicklungsausschuss zu bringen, verspricht Stüttem vage.

Die Händler können nach mehr als zehn Jahren Standortdiskussion nicht mehr so recht daran glauben. „Immer, wenn es um das Thema Verlegung vom Kölner Großmarkt geht, können die Inhaber der betroffenen Firmen nur noch müde lächeln“, so Heinz Nonnenbruch, stellvertretender Marktamtsleiter. Insgesamt 14 Areale wurden in den vergangenen Jahren geprüft, einige wieder verworfen. Laut IHK scheinen inzwischen vier Alternativstandorte in die engere Wahl gekommen zu sein. Dazu zählen Lindweiler, Roggendorf-Thenhoven, Ehrenfeld und Porz.

Auch wird darüber diskutiert, den Großmarkt an der Bonner Straße, den Blumenmarkt an der Barbarastraße und den Fleischmarkt an der Liebigstraße in einem großen „Frische-Logistik-Zentrum“ zusammenzulegen. Aber nicht alle Händler sind begeistert von dieser Idee. Einige sind inzwischen sogar sehr skeptisch gegenüber Politik und Standortplanern geworden.

„Unserer Auffassung nach ist unser jetziger Standort in keiner Hinsicht zu beanstanden. Wir haben auch grundsätzlich die Absicht, dort zu bleiben“, meint Otto Haas, Geschäftsführer der Fleischversorgung Rheinland. Er sei zwar nicht unbedingt gegen eine Zusammenlegung der Märkte in einem Kölner „Frische-Logistik-Zentrum“, eine Entscheidung darüber müsse jedoch möglichst schnell fallen. „Bei der Art der Diskussion und der Behandlung der Vorlage im Stadtrat ist zu befürchten, dass es sich hier um ein Programm handelt, das zum Jahrhundertplan wird“, moniert Haas.

Ein Problem, das der Stadt die Entscheidung über einen alternativen Standort in den letzten zehn Jahren möglicherweise schwer gemacht haben dürfte, ist die Schwierigkeit der Eigentumsverhältnisse am Kölner Großmarkt. Stadt, Bahn und Privateigentümer können auf dem 23 Hektar großen Areal ihre Besitzansprüche geltend machen. Die meisten Gebäude sind Eigentum der einzelnen Firmen, was diese wiederum an den Standort bindet. Teilweise bestehen noch Pachtverträge mit einer Laufzeit von über 20 Jahren.

Seit Generationen vor Ort

Bei der jetzigen Planung sind längst nicht alle dazu bereit, ihr altes Handelsterrain aufzugeben, „weil keiner genau weiß, was ihn erwartet“, erklärt Heinz Nonnenbruch vom Marktamt. Rund 250 Firmen müssen allein auf dem Großmarktgelände erst mal überzeugt werden, eine gewachsene Struktur zu verlassen. „Viele, auch kleinere Firmen, sind seit Generationen auf dem Marktgelände, und für die stellt sich natürlich schon die Frage, ob sich ein Umzug auch wirklich lohnt“, meint Nonnenbruch.

Zwei Drittel der ansässigen Firmen sind Importeure und Großhändler. Aber auch weitere Branchen haben sich im Laufe der Zeit auf dem Gelände angesiedelt: Banken, Speditionen, Agenturen, Rechtsanwälte, Packstationen und ein gewerbliches Kühlhaus haben inzwischen auf dem Marktgelände ihr gewerbliches Domizil. Die IG Großmarkt sei daher zwar durchaus für eine Verlagerung des Kölner Großmarktes, so ihr Vorsitzender Klaus Valentini, „aber nur unter der Voraussetzung, dass der bisherige Standort nicht stiefmütterlich behandelt wird“.